5 Fragen an ... Ernst Paul Dörfler

5 Fragen an ... Ernst Paul Dörfler

Wie kamen Sie auf die Idee, über das Liebesleben der Vögel zu schreiben?
Es ist zwar schön, die Vogelarten zu erkennen und beim Namen nennen zu können, doch dabei stehen zu bleiben, erschien mir bald zu simpel. So richtig spannend wird die Vogelbeobachtung für mich erst, wenn es um das Sozialverhalten der Vögel geht. Wie gehen die schönsten aller Tiere miteinander um? Wie verhalten sich Weibchen und Männchen zueinander? Ich sehe das Liebesleben der Vögel als eine Art Königsdisziplin an, um für möglichst viele Menschen den Zugang zur Natur und zum Draußensein attraktiv zu machen. Liebe ist nun mal ein Thema, das die Herzen öffnet.

Welche Vögel lassen sich denn hierzulande bei ihrem Paarungsverhalten gut beobachten, wo und wann sollte man Ausschau halten?
Ich empfehle als Einstieg die Ringeltaube. Sie ist in fast allen Städten und Dörfern zuhause, sie fällt durch ihren weißen Halsschmuck und durch ihren girlandenartigen Flug mit dem Flügelklatschen auf und ist von Jahresbeginn bis Herbstanfang in Balz- und Brutstimmung. Auch unsere Weißstörche bieten lohnende Einblicke in ihr Privatleben. Kleine Singvögel kann man am besten im zeitigen Frühling beobachten, wenn die Bäume noch nicht belaubt sind.

Welches ist das ungewöhnlichste Beziehungsverhalten, dem Sie bei Ihren Recherchen begegnet sind?
Es ist der „Feminist“ unter unseren Vogelarten, der Nandu, ein flugunfähiger, straußenähnlicher Laufvogel mit bis zu 25 Kilogramm Körpergewicht. Eigentlich in den südamerikanischen Pampas zuhause, haben sich hierzulande einige Gefangenschaftsflüchtlinge auf den Weg in die Freiheit gemacht und vermehren sich auf den Feldern in Westmecklenburg ganz prächtig. Das Nandu-Männchen begattet gleich mehrere Weibchen, lässt deren Eier in eine eigens ausgescharrten Nistmulde legen, bebrütet diese in Eigenregie ganze sechs Wochen, um anschließend diesen "Kindergarten" mit bis zu zwei Dutzend Küken ein halbes Jahr lang als alleinerziehender Vater zu beschützen und durchs Leben zu begleiten.

Warum entscheiden sich manche Vögel für langfristige Partnerschaften und andere nicht?
Es ist in erster Linie eine Frage der Lebenserwartung. Kleine Singvögel werden im Schnitt nur drei Jahre alt, sie müssen sich beeilen, um ausreichend Nachwuchs für die Arterhaltung zu zeugen und großzuziehen. Da kann eine lebenslange Bindung an einen festen Partner nur hinderlich sein, wenn dieser mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit ausfällt. Flexibilität ist eine Art von Versicherung gegen Totalausfall. Größere Vogelarten werden im Schnitt doppelt bis fünfmal so alt, da lohnt es sich, an einem bewährten Partner festzuhalten. Doch es gibt auch Ausnahmen, wie den Weißstorch.

Inwiefern beeinflussen die sich verändernden Klimabedingungen das Liebesleben der Vögel?
Die Klimaerwärmung befeuert die Wetterextreme. Je unvorhersehbarer die Lebensbedingungen und je krasser die Schwankungen werden, desto eher verlassen monogame Vögel ihren Partner. Bei starken Temperaturschwankungen nimmt die Neigung zum "Fremdfliegen" deutlich zu. Wenn die Weibchen öfter ihren Sexualpartner wechseln, bekommen sie Nachwuchs von verschiedenen Vätern. Dadurch ist die genetische Vielfalt der Nachkommen größer, die Chancen steigen damit, dass wenigsten einer von ihnen passende Gene besitzt und auch unter widrigen Umweltbedingungen überleben kann. Es wird deshalb angenommen, dass der globale Klimawandel dazu führen wird, dass sich mehr Weibchen auf sexuelle Abenteuer einlassen. So fand ein Forscherteam heraus, dass sexuelle Treue bei monogamen Vögeln lediglich ein Schönwetterphänomen ist.

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