5 Fragen an ... Emilia Smechowski

5 Fragen an ... Emilia Smechowski

Liebe Emilia Smechowski, Sie sind zusammen mit Ihrer Tochter für ein Jahr nach Danzig gezogen. Wie kam es dazu?
Ich wollte verstehen, was in Polen los ist, und zwar auf der Mikroebene. Wie wirkt sich die politische Situation auf die Gesellschaft aus? Ist sie im Alltag überhaupt spürbar, hat sich da etwas verändert? Wie gespalten sind die Polen denn nun? Streiten sie beim Sonntagsessen oder auf der Straße? Das ist etwas, das in keinem Zeitungskommentar steht. Da muss man schon selbst hin.

Polen ist für Sie sowohl Heimatland als auch fremdes Land. Sie sind Polin, doch seit Ihrer Kindheit haben Sie dort nicht mehr gelebt. Was überwog: Fremdheit oder Vertrautheit?
Fremdheit, ganz klar. Polen ist mit dem Land, das ich 1988 verlassen habe, nicht mehr vergleichbar. Ich habe in diesem Jahr viele Pierogi gegessen und versucht, mir das Polnische quasi wieder einzuverleiben, aber am Ende hat eher der furchtbare Mord am Danziger Bürgermeister dazu geführt, dass ich mich heimisch gefühlt habe, als Polin, als Danzigerin.

Polen liegt so nahe, die Grenze verläuft 80 Kilometer von Berlin entfernt. Warum wissen die Deutschen so wenig über ihren großen östlichen Nachbarn? Wollen sie nicht mehr wissen?
Das können im Grunde nur „die Deutschen“ beantworten, ich liege ja irgendwie dazwischen. Ich vermute, es liegt daran, dass Polen kein Spaßland ist wie „Bella Italia“, es ist nicht sexy. Es ist rauer, und, ja, natürlich Deutschland auch ähnlicher als südeuropäische Länder oder andere Kontinente. Außerdem sehen die Deutschen in Polen immer ein bisschen ihre Vergangenheit, ihre Schuld. Auch das führt zu Berührungsängsten, viele betrachten ihr Nachbarland, wenn überhaupt, aus der Distanz.

Sie beschreiben Polen in Ihrem Buch als zutiefst gespaltenes Land. Wie kam es zu dieser Spaltung, und was können andere europäische Länder daraus lernen?
Es kam unter anderem dazu, weil die Vorgängerregierungen die zunehmende Spaltung nicht sehen wollten. Sie ruhten sich aus auf den guten Wirtschaftsdaten, es war ihnen egal, dass davon nicht viel bei der Bevölkerung ankam, jedenfalls bei einem Teil. Das rächt sich nun. Der Frust, die Wut darüber, nicht gesehen worden zu sein, ist zu Recht sehr groß. Diese Menschen muss man zurückholen, überall in Europa, ob sie nun schon rechte Parteien an die Regierung gewählt haben oder vorerst „nur“ ins Parlament. Und das tut man nicht, indem man ihnen mit Arroganz begegnet. Es gab viele Polen, die die PiS nicht aus ideologischen, sondern aus rein mathematischen Gründen gewählt haben: Die Partei hat ihnen finanziell mehr geboten, beispielsweise erstmals ein Kindergeld.

Im Oktober 2019 finden in Polen Parlamentswahlen statt – die ersten seit der Machtübernahme der PiS. Haben die liberalen Kräfte eine Chance?
Natürlich haben sie eine. Die Frage ist, ob sie sie auch wahrnehmen und verwandeln. Ob sie alte Grabenkämpfe überwinden und sich zusammentun können. Nur so wird es gehen, fürchte ich. Der linksliberale Flügel ist total zersplittert. Und die Umfragen sehen die PiS klar vorn, nach heutigem Stand also würde die Regierungspartei an der Macht bleiben.

Newsletter
Newsletter