5 Fragen an ... Doris Knecht

5 Fragen an ... Doris Knecht

Liebe Doris, dein neuer Roman Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe handelt von einer Frau, die an einem Wendepunkt in ihrem Leben steht. Was für eine Entscheidung muss sie treffen?
In erster Linie wollte ich einmal ein heiteres Buch schreiben. Was insofern vielleicht überrascht, als es um eine Frau geht, deren nun erwachsene Kinder ausziehen und die deshalb ihr Leben verkleinern und noch einmal neu ausrichten muss. Die übliche Erzählung von Frauen in dieser Situation ist die der verzweifelten Empty Nesterin, die in einem Meer aus Einsamkeit und Entbehrlichkeit ertrinkt. Das wollte ich ganz neu und anders erzählen: Meine Protagonistin findet eine erfrischende Chance auf Selbstbestimmung und eine neue Freiheit.

Deine Protagonistin ist eine „Überempfindiche“, eine, die viele Freundinnen hat, aber auch sehr gerne allein ist, eine, die schon viel in ihrem Leben erlebt hat und einiges davon vergessen möchte. Wie würdest du sie beschreiben?
Das beschreibt sie eh schon ziemlich gut. Sie ist eine der Frauen, die üblicherweise als schwierig gelten: sensibel und ruppig zugleich, meinungsstark, sarkastisch, mit viel Phantasie, schnellem Urteilsvermögen und einer Loslass-Schwäche. Sie braucht viel stillen Raum um sich, aber sie hat sich auch gut in ein Netz aus Freundinnen und Freunde eingesponnen, die das akzeptieren.

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe, was für ein geheimnisvoller, im besten Sinne merkwürdiger Titel – was steckt dahinter?
Der Titel ist natürlich ein Paradox. Was man vergessen hat, lässt sich nicht auflisten. Aber auch auf Erinnerungen kann man sich nicht verlassen: Sie sind sprunghaft, unvollkommen, verschwommen, verklärend und manchmal irreführend. In meinem Buch geht es auch darum, dass es manchmal hilfreich und heilsam sein kann, Erinnerungen loszulassen; einfach zu vergessen.

Dein Roman behandelt sehr aktuelle Themen wie Wohnungsnot, Altersarmut und körperliche Selbstbestimmung, diese Themen werden aber höchst subtil eingeführt, welche Rolle haben sie für dich beim Schreiben gespielt?
Ich wollte das Leben einer ganz normalen Frau erzählen, in diesem Fall einer lange alleinziehenden Mutter. Da kommt man an diesen Themen einfach nicht vorbei, sie sind, und wenn auch mitunter nur als Ängste, immer Teil einer solchen Geschichte. Gleichzeitig sind Wohnungsnot und die Angst vor Verarmung und sozialem Abstieg Themen, die durch die Inflation momentan so viele Menschen betreffen, die plötzlich gezwungen werden, ihre Leben kleiner zu denken. Und die Frage, ob und wie weit Frauen selbst über ihre Körper bestimmen dürfen, ist ja leider wieder furchtbar aktuell geworden.

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