5 Fragen an ... Dirk Schümer

5 Fragen an ... Dirk Schümer

Mit knapper Not entkam Wittekind Tentronk, der Held aus Die schwarze Rose, 1328 den päpstlichen Häschern in Avignon. Nun ist er in Die schwarze Lilie als Agent des mächtigen Bankiers Pacino Peruzzi in Florenz zu Gange. Was hat ihn dorthin verschlagen?
Mein Wittekind liebt den Mittelmeerraum, das hat er mit seinem Autor gemeinsam. Wittekind hat sich zwischen Konstantinopel und Neapel fast zwanzig Jahre lang herumgetrieben. Schließlich ging er dorthin, wo damals das Großkapital zuhause war: zu den internationalen Bankhäusern von Florenz. Denn Wittekind, ein ins Mittelalter verschlagener Privatdetektiv, braucht Geld – wie wir alle.

In Florenz, „der schönsten und reichsten Stadt der Welt“, wie Sie schreiben, hat er sich anscheinend gut eingelebt: Er hat eine entzückende Freundin, eine Stammkneipe, sein Arbeitgeber betraut ihn mit verantwortlichen Aufgaben …
Gerade der Job als Spezialagent der millionenschweren Bankiersfamilie Peruzzi bringt unseren Helden in Probleme: Die Söhne des Patriarchen werden einer nach dem anderen ermordet. Wittekinds attraktive Freundin, die aus Neapel stammende Gemüsehändlerin Cioccia, gerät in Gefahr. Und in der Stammkneipe Purgatorio versammeln sich obskure Verdächtige. Das ist der ideale Rahmen für spannende Ermittlungen.

Es fällt auf, dass Sie wiederum actionreiche Spannungs- und Krimielemente mit Poesie verbinden, Dante und Beatrice treten auf, der junge Boccaccio. Die spätmittelalterliche Stadt ist zum Greifen nahe, man lebt buchstäblich in ihr, man riecht sie, es stinkt. Wie recherchieren Sie diese Fülle an Details, die Ihre Romane so abwechslungsreich machen?
Das Florenz um 1350 ist die Geburtsstadt der europäischen Literatur. Dantes Göttliche Komödie wurde dort herausgegeben. Boccaccio schrieb sein erotisches Meisterwerk Decameron – wieso, das erklärt mein Roman. Und aus den realistischen Chroniken der Toskana des Mittelalters lässt sich der Alltag der Menschen bildhaft rekonstruieren, vom Arztbesuch bis zum Kerker, vom Ehebett bis zum Schafott. Zusätzlich zu diesen Quellen konnte ich ausgezeichnete Werke italienischer, französischer, deutscher, niederländischer und angelsächsischer Sozialhistoriker ausschlachten.

Banken gehen pleite, aus dem Osten kommt eine Pandemie, die Halbinsel Krim wird belagert. Gestatten Sie mir die Frage: Sind Sie sicher, dass der Roman um die Mitte des 14. Jahrhunderts spielt und nicht im Hier und Jetzt?
Das habe ich mich auch immer wieder gefragt. Ist gerade 1348 oder 2020? Diese gespenstische Koinzidenz von Bankenbetrug, Pandemie und Ukrainekrieg hat mich recht eigentlich zu Die schwarze Lilie inspiriert. Was ich dann über Europas Wurzeln herausfand, bestätigt meine Überzeugung: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

Auf der Krim trifft Wittekind auf einen alten Bekannten, Umberto Ecos William von Baskerville, der sich dort „Vasudeva“ nennt, der „Vater des Krishna“. Was hat es damit auf sich?
William von Baskerville ist für Wittekind das große Vorbild, so wie Umberto Eco für mich. Bei mir kehrt Bruder William mit Mitte siebzig topfit vom Ganges zurück, wo er aus den Quellen der Weisheit getrunken und Yoga geübt hat – ein bisschen wie die Hippies von heute. Ich denke, das passt gut zu diesem metaphysischen Detektiv. Denn auch William muss natürlich wieder als Ermittler ans Werk.

Newsletter
Newsletter