5 Fragen an ... David Grossman

5 Fragen an ... David Grossman

David Grossman, die Hauptfigur Ihres neuen Romans ist ein Comedian. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Wenn ich wüsste, woher die Ideen kommen, hätte ich mich dort mein Lebtag aufgehalten … Jahrelang habe ich nach der richtigen Möglichkeit gesucht, diese Geschichte zu erzählen. Dann, eines Abends, schoss es mir durch den Kopf: Der Erzähler sollte ein Comedian sein, die Verbindung von Tragödie und Gelächter könnte der richtige Weg sein, eine solche Geschichte zu erzählen; und sie wird auf der Bühne erzählt – vor unbekannten Zuhörern, damit wir – die Leser und der, der sie aufschreibt – die tiefe Einsamkeit dieses Mannes spüren, der wildfremden Menschen von seiner innersten Erfahrung erzählen muss.

Im Zentrum der Geschichte steht ein Junge, der im Taxi zu der Beerdigung eines Elternteils gefahren wird. Aber er weiß nicht, ob sein Vater oder seine Mutter gestorben ist. Was geht in seinem Kopf vor?
Während der vier Stunden Fahrt zur Beerdigung glaubt er, solange er nicht entscheidet, wer gestorben ist – wird keiner sterben. Als er zum Friedhof kommt, spürt er, dass er zu einer Entscheidung kommen muss. Bis dahin kämpfen Mutter und Vater erbittert – in seinem Kopf –, damit er nicht „wählen“ muss, wer stirbt. Und dann kommt ein Moment, in dem er entscheiden muss, und er wägt ab – einen gegen den anderen – nicht nur, wen er mehr liebt, Papa oder Mama, sondern auch, welche Art von Leben er führen will, das von Papa oder von Mama?

Während der Fahrt erzählt der Taxifahrer dem Jungen eine Menge Witze. Warum?
Der Fahrer aus der Armee, der Dovele – damals vierzehn Jahre alt – zur Beerdigung fährt, begreift plötzlich, dass niemand dem Jungen gesagt hat, wer eigentlich beerdigt wird – seine Mutter oder sein Vater. Er fühlt mit dem Jungen mit. Er will etwas tun, um Dovele von der unerträglichen Situation abzulenken.
Der Fahrer ist ein einfacher Mann, doch er verfügt über tiefe menschliche Intuition. Und so fängt er an, Dovele Witze zu erzählen. Anfangs ist der Junge sprachlos darüber, weil er das als taktlos, ja grausam empfindet. Dann, nach und nach, schlagen die Witze ihn in ihren Bann und er fühlt, dass der Mann aus Anstand und Mitleid handelt.
Ich bin immer schon der Meinung gewesen, dass die Fähigkeit, in einer schwierigen Situation Humor aufzubringen, ein Akt der Freiheit ist. Als ob man sich selbst aus einer willkürlichen und bedrückenden Situation „herausreißt“, nur weil man in der Lage ist, sie mit anderen Augen zu betrachten. Dann ist man auf einmal kein hilfloses Opfer dieser Situation mehr.

Der Comedian hat einen alten Freund zu diesem Abend eingeladen. In welchem Verhältnis stehen die beiden Männer zueinander?
Die beiden Männer waren einer des anderen bester Freund, als sie 14 waren. Ein schmerzhafter Verrat hat sie für mehr als 40 Jahre voneinander entfernt. Jetzt hat der Comedian, Dovele, seinen Freund zu seinem Auftritt eingeladen. Er möchte, dass sein Freund – der inzwischen ein bekannter Richter ist – ihn sieht, ihn wirklich und von Grund auf sieht und ein privates, vertrauliches Urteil über ihn fällt. Im Laufe der Handlung sehen wir, dass der Richter diesmal möglicherweise auch selbst zum Angeklagten wird, aber vielleicht kann er seinen Freund auch befreien, indem er ihm gegenüber so loyal ist, wie er es noch nie war. Die Situation ermöglicht es beiden, Dovele und dem Richter, von einer „zweiten Instanz“ zu profitieren, an die wir appellieren können, indem wir eine alte Geschichte neu erzählen. Manchmal kann sie uns aus der Falle befreien, in der wir durch eine traumatische Erfahrung gefangen sind.

Der Roman ist zwischen Komik und Tragik angesiedelt, oder vielmehr: Er verbindet beide. Was bedeutet das für die Sprache, den Stil?
Die erste Hälfte der Geschichte ist im typischen Ton eines Stand-up-Comedian geschrieben. Dovele provoziert seine Zuhörer, flirtet mit ihnen, beschimpft sie. Beide Seiten kennen die Spielregeln von diesem „Tanz“ und spielen mit – auch wenn das Ganze manchmal aggressiv und vulgär wird.
Aber dann kommt ein Augenblick, in dem die ganze Situation sich verändert, und dann bricht mit unwiderstehlicher Macht eine ganz persönliche Geschichte aus dem Comedian heraus. In diesem Moment, in dem die Geschichte sich verändert, verändert sich auch die Sprache. Sie wird zart, persönlich, warm und nuanciert. Ich kann sagen, dass es mir großes Vergnügen gemacht hat, auf beide Arten zu schreiben und diese beiden verschiedenen Doveles zu SEIN.

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