5 Fragen an ... Cihan Acar

5 Fragen an ... Cihan Acar

Lieber Cihan Acar, warum heißt dein Buch Hawaii und was genau hat es mit Palmen, Meer und Strand zu tun?
Die Geschichte findet in Heilbronn statt. Dort gibt es im Industriegebiet das kleine Hawaii-Viertel. Warum das Viertel so genannt wird, weiß keiner genau. Aber wer in Heilbronn oder in der Nähe wohnt, weiß sofort Bescheid, wenn davon die Rede ist. Hawaii galt früher als das Ghetto der Stadt und ist heute noch dafür bekannt. Im Roman kommt es früh zu einer Szene, in der Kemal, die Hauptfigur, seine Eltern besucht. Als ich diese Szene schrieb, entschied ich mich spontan dazu, dass die Eltern im Hawaii wohnen. Daraus folgte, dass auch Kemal in seiner Jugend dort gelebt hat und immer wieder daran zurückdenkt. Damit wollte ich auch ein bisschen gegen den Ruf des Viertels anschreiben. Weil ich weiß, dass es dort heute nicht mehr so schlimm ist wie früher. Und weil Menschen aus sogenannten Problemvierteln genauso nachvollziehbare Gefühle und Sehnsüchte haben wie alle anderen auch.

Kemal, der Held deines Romans ist ein gescheiterter Fußballstar. Sind eigentlich alle Türken gescheiterte Fußballstars?
Ich kenne genug Türken und Deutschtürken, die mit Fußball nichts anfangen können. Aber sie sind schon eher in der Unterzahl. Fußball ist einfach unser Ding. Das bekommt man von klein auf vermittelt. Etwas, an das ich mich gut erinnern kann und das mich wohl geprägt hat, ist die Art und Weise, mit der sich ein Onkel von mir die Spiele seiner Lieblingsmannschaft ansah. Er saß immer im gleichen Sessel, zwei Meter vor dem Fernseher und war hochkonzentriert. Niemand durfte ihn ansprechen oder ablenken. Weil ich das als Kind so häufig sah, konnte ich gar nicht anders, als Fußball für etwas ganz Dramatisches und Wichtiges zu halten.

Kemal steht zwischen allen Stühlen, er ist weder Deutscher noch Türke und als plötzlich in seiner Stadt der Krieg ausbricht, denkt er, sich entscheiden zu müssen. Wie wichtig ist es, irgendwo dazuzugehören?
Das ist eine der Grundfragen des Romans. Ich habe bewusst einen engen Zeitrahmen von wenigen Tagen gewählt, in denen Kemal immer wieder und immer stärker mit dieser Frage konfrontiert wird. Bis er ihr nicht mehr ausweichen kann und sich entscheiden muss. Ich selbst habe keine klare Antwort auf diese Frage. Wahrscheinlich ist es schon wichtig, irgendwo dazuzugehören. Aber jeder sollte es sich selbst aussuchen dürfen.

Dein Roman ist erschreckend aktuell, indem er den Kampf der Kulturen aufgreift. War dir das während des Schreibens bewusst?
Es war mir bewusst, aber nicht mein Hauptziel. Mir persönlich haben immer die Bücher und Filme am besten gefallen, die aus einer bestimmten Sicht vermitteln, wie die Welt wirklich ist oder einmal war oder werden könnte. Meine Geschichte spielt in der Gegenwart in einer deutschen Stadt. Also muss sie auch aktuelle Entwicklungen der Gesellschaft miteinbeziehen, anders geht es nicht. Der Kampf der Kulturen ist vielleicht ein aktueller Begriff, aber auch ein zeitloses Thema, glaube ich. Er bleibt meistens knapp unter der Oberfläche, bricht aber immer wieder mal aus. Alle paar Jahre oder Jahrhunderte. Der Mensch streitet wohl einfach gerne. Und wer das nicht so gerne tut und seine Ruhe will, kann schnell zwischen die Fronten geraten.

Seit wann schreibst du, warum schreibst du und wie wichtig ist dir das Schreiben?
Eines meiner Kindheitsfotos zeigt mich als kleinen Jungen, der ganz ernst auf einer Schreibmaschine herumtippt. Irgendwie hat es mich wohl damals schon angezogen. Als Jugendlicher habe ich mich aber kaum mehr mit Schreiben und Literatur beschäftigt. Erst während meiner Zeit an der Uni fing ich wieder damit an, aber ohne richtigen Plan. So entstanden Notizen, Beobachtungen, Entwürfe für Romane und Filme. Später kamen viele journalistische Texte dazu. Mit der Zeit habe ich immer mehr gespürt, dass ich einen Roman schreiben muss. Ich startete einen Versuch nach dem anderen, brach aber immer wieder ab. Erst als ich die Figur des Kemal Arslan im Kopf hatte, kam ich zu einer Geschichte, die ich zu Ende schreiben konnte. Vom ersten bis zum letzten Satz war es dann nochmal ein langer, harter Weg. In dem Moment, in dem ich das Buch zum ersten Mal in den Händen halten werde, wird er sich ausgezahlt haben. Darauf freue ich mich sehr.

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