5 Fragen an ... Christian Felber

5 Fragen an ... Christian Felber

Ist der Welthandel, wie wir ihn derzeit betreiben, nicht ethisch, Herr Felber?
Das wäre er, wenn er die Menschenrechte fördern, eine nachhaltige Entwicklung unterstützen und demokratischen Handlungsspielraum belassen würde. Der Welthandel wird jedoch nicht als Mittel genützt, um diese höheren Politikziele zu erreichen, sondern er wird immer mehr zum Selbstzweck. Dabei walzt er die eigentlichen Ziele und Werte immer aggressiver nieder. Das beginnt nur damit, dass Produkte aus Umweltzerstörung, Ausbeutung und Kinderarbeit mit Fair-Trade-Produkten zu gleichen Konditionen konkurrieren dürfen. Beim „freien“ Spiel zwischen Fair- und Foul-Playern setzen sich die Foulplayer durch. Die Handelspolitik eskaliert aber gegenwärtig in Form von Knebelung von Demokratien und der Ausstattung der Global Players mit direkten Klagerechten gegen Staaten. Man muss das Unwort „marktkonforme Demokratie“ noch ausweiten auf „handelskonforme Demokratie“. Das ist unethischer Welthandel.

Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der neue US-Präsident die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen Trans-Pacific Partnership (TPP) abgebrochen. Erfüllt der Multimilliardär damit die Wünsche der FreihandelskritikerInnen?
Nur insoweit, als er aus der Glaubensgemeinschaft des bedingungslosen Freihandels ausschert, was zu seinem Wahlsieg beigetragen hat. Aber die Motive, mit denen er dies tut, sind ganz andere als derjenigen, die den Protest gegen TPP seit sechs Jahren sorgfältig aufbereitet haben und den Trump nun billig aberntet. Trump setzt nationale Akzente und hat dabei keine Vision eines fairen, gerechten, nachhaltigen und egalitären Welthandelssystems. Oder auf den Punkt gebracht: Anstatt von der WTO in die UNO zu wechseln, ist ihm zuzutrauen, dass er aus beiden Systemen aussteigt. Das ist eine nationale Strategie, die sich vom globalen Bewusstsein und der Vision eines ethischen Welthandelssystems diametral unterscheidet.

Haben wir aus der großen Finanzkrise, aus den Turbulenzen auf den Finanzmärkten der letzten Jahre, aus den Schwierigkeiten der großen Banken bisher gar nichts gelernt?
„Wir“ sind kein Monolith, das ist das Problem. Die Bevölkerung würde, wenn sie das direkt entscheiden könnte, Banken eine Größengrenze vorgeben, sie auf Gemeinwohl-Orientierung ausrichten, Kredite an die Realwirtschaft binden, die Geldausgabe den Zentralbanken übertragen, Spekulation weitgehend verbieten und den Kapitalverkehr in Steueroasen regulieren. Doch dieses „Wir“ des demokratischen „Souveräns“ darf nur alle paar Jahre eine Partei wählen, deren weltanschauliche Ausrichtung sich von der Basis bis zur Spitze um 180 Grad drehen kann, in der Mangel der kapitalistischen Korruption und, mit CETA und TTIP, zusätzlich noch der „Regulatorischen Kooperation“. Neue Gesetze können abgeschreckt („chilling effect“), verwässert („Regulatorische Kooperation“), geklagt (ISDS) oder kurzerhand entsorgt werden, wie das Trennbankensystem durch die Administration Bill Clinton.

Der Widerstand gegen Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA wächst an sehr vielen verschiedenen Fronten, Zweifel und Skepsis kommen aus sehr verschiedenen politischen Richtungen. Wie erklären Sie sich das?
Zum einen machen immer mehr Menschen die Erfahrung, was „Freihandel“ wirklich bedeutet: Arbeitsplätze werden prekärer oder wandern ab, die Ungleichheit steigt, Konzerne werden immer mächtiger, Mehrheiten werden pausenlos erpresst mit dem Argument des „Standortwettbewerbs“. Zum anderen bröckelt das argumentative Gebäude der „Freihandelsreligion“: Immer mehr begreifen, dass sich hinter dem Euphemismus „Freihandel“ ein totalitäres Zwangshandelssystem verbirgt. „Freihandel“ bedeutet letztlich, dass das Mittel Handel zum Selbstzweck und damit über die eigentlichen Ziele gestellt wird: Menschen- und Arbeitsrechte, Gesundheit, KonsumentInnenschutz, gerechte Verteilung, Umwelt und Klima oder kulturelle Vielfalt. Und da der Handel und Investorenrechte allem anderen übergeordnet werden, regt sich der Widerstand gegen Freihandel auch überall: von Gewerkschaften bis zu KMU, von Umweltschützern bis zu den Bauern. Selbst der deutsche Richterbund hat sich ablehnend zu CETA geäußert.

Wie soll der weltweite Handel Ihrer Meinung nach in zehn Jahren geregelt sein?
Die Freihandelsabkommen von CETA bis zur WTO sind Geschichte. Stattdessen wurden neue Regeln im Rahmen der UNO geschaffen – in Abstimmung mit den Menschenrechten, Arbeitsrechten, sozialer Sicherheit, Steuergerechtigkeit, nachhaltiger Entwicklung und Klimaschutz. Staaten und Unternehmen, welche diese Ziele schützen und fördern, handeln freier miteinander; und Staaten und Unternehmen, welche diese Ziele gefährden, haben geringeren Zugang zum Weltmarkt. Handel wird als Mittel gesehen, nicht als Selbstzweck. Das bedeutet, dass Länder sich ganz unterschiedlich öffnen dürfen, niemand drängt sie dazu. Allerdings verpflichten sich alle zu ausgewogenen Handelsbilanzen, um das Ganze im Gleichgewicht zu halten. Der internationale Handel wird in einer globalen Komplementärwährung verrechnet – eine Idee von Keynes – womit die Handels- und Währungspolitik endlich eins werden. Und globale Stabilität und Gerechtigkeit eine neue Chance erhalten.

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