5 Fragen an ... Cathy Bonidan

5 Fragen an ... Cathy Bonidan

Liebe Cathy Bonidan, wie kamen Sie auf die Idee zu Das Glück auf der letzten Seite?
Ich hatte mich bereits von meinem Traum verabschiedet, jemals ein Buch zu veröffentlichen, als ich 2016 mit Das Glück auf der letzten Seite begonnen habe. Ein paar Monate zuvor hatte ich einen Literaturwettbewerb gewonnen. Während der Preisverleihung bot Marie Leroy, Lektorin beim französischen Verlag La Martinière, an, meinen ersten Roman Le Parfum de l’Hellébore zu verlegen. Anfang 2016 wusste ich jedoch überhaupt nicht, wie ein Verlag funktioniert, und nachdem ich mehrere Monate nichts mehr hörte, dachte ich, dass sie ihre Meinung geändert hat, dass aus meinem Manuskript nie ein richtiges Buch werden würde. Um diese Enttäuschung zu vergessen, beschloss ich, mich auf das Abenteuer eines verloren gegangenen und nie veröffentlichten Manuskripts einzulassen.

Sie erzählen die Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Warum haben Sie sich für diesen kaleidoskopischen Ansatz entschieden?
Die Idee kam mir, als ich mich für die Briefform entschieden habe. Das Leben, die Vergangenheit, die Ängste und Zweifel jeder Figur wurden zu meinen eigenen. Ich liebe es, in die intimen Details jedes einzelnen einzutauchen, ein Mann, eine Frau, ein Autor, ein Gefangener zu sein … Wenn man in einer Person „drin“ ist, wird man von jedem Gefühl, das er oder sie hat, mitgerissen. Darüber hinaus war diese Form eine Möglichkeit, das Manuskript in den Mittelpunkt zu stellen. Ich fand die Idee von mehreren Begegnungen rund um ein Buch wirklich toll.

Was hat Sie an der Briefform gereizt?
Ich habe immer gerne Briefe geschrieben. Meistens sogar ohne sie zu versenden. Der Zeitraum zwischen dem Moment, in dem Sie schreiben, und dem Moment, in dem Sie den Brief in den Briefkasten werfen, ermöglicht Ihnen bis zum Ende die Wahl: ob Sie den Brief abschicken oder nicht. Ein Vorteil ist auch die Ehrlichkeit der Figuren, die dadurch verstärkt wird, dass sie sich vor dem Schreiben größtenteils nicht kennen. Zu Beginn denken sie sogar, dass sie sich nie treffen werden und meistens ist es ja so, dass man sich Fremden viel leichter anvertraut …

Sie haben einen Roman in den Mittelpunkt der Geschichte gestellt. Was sagt das, Ihrer Meinung nach, über die Macht der Worte aus?
Ich glaube an die Macht der Worte. Auch wenn es vielleicht übertrieben klingt, aber ich denke, Worte können alles verändern. Sie haben mehr Macht als Taten, weil jedes einzelne Ereignis auf tausend Arten beschrieben werden kann. Romane haben mich mein Leben lang begleitet. Lesen und Schreiben sind die einzigen Aktivitäten, welche die Traurigkeit vertreiben können und mich die Realität vergessen lassen. Es gibt einige Bücher, die zu bestimmten Zeiten meine Weggefährten geworden sind, so wie bestimmte Charaktere meine Freunde geworden sind und mir geholfen haben, wenn es bei mir gerade nicht einfach war. Die Liebe zu Büchern fördert Begegnungen. Wenn ich Buchmessen oder Lesungen besuche, habe ich oft tiefgehende Diskussionen oder unerwartet aufrichtige Momente mit Fremden, da uns die gemeinsame Liebe zu Büchern verbindet. Es gibt eine Art Erkennen zwischen Lesenden …

Woran arbeiten Sie gerade?
Die Hauptfigur meines neuen Romans wurde geboren, während ich mir eine Literatursendung ansah. Um einen Anruf entgegenzunehmen, musste ich den Ton des Fernsehers ausschalten, das Bild jedoch ließ ich an. Als ich auflegte, sah ich den Autor an, der über sein Buch sprach, und in der Stille meines Wohnzimmers, direkt vor meinen Augen, begann er mit seinen Augen, seiner Haltung, seinen Bewegungen etwas anderes zu erzählen. Da ich nicht hören konnte, was er sagte, stellte ich mir vor, was er dachte. Er war ein Journalist, der gerade einen Roman geschrieben hatte, und an diesem Abend wurde er zur Hauptfigur meiner Geschichte ...
Aus einem Interview mit Ellen Birkett Morris für Authorlink.com, 1. Mai 2021. Aus dem Englischen von Astrid Saller

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