5 Fragen an ... Carole Fives

5 Fragen an ... Carole Fives

Es gibt ein Theaterstück von Jean Cocteau, Die menschliche Stimme heißt es. Kennen Sie diesen Monolog am Telefon?
Ich kannte ihn nicht, aber viele Leser haben mir nach dem Erscheinen von Eine Frau am Telefon davon erzählt, und ich habe mir die Version mit der Stimme von Berthe Bovy* angehört. Ein großartiger Text über die Trennung.

Rufen Sie Ihre Mutter oft an?
Ich muss meine Mutter nicht anrufen, sie ruft mich an – dreimal am Tag!

Wie haben Sie Charlène erschaffen? Gibt es ein reales Vorbild? Oder mehrere?
Charlène ist inspiriert aus den Beziehungen, die ich zu meiner Mutter und zu vielen anderen Frauen in meinem Umkreis habe, familiären und freundschaftlichen. Ich wollte diesen Roman wie eine Art Einbahn-Dialog schreiben. Der Leser ist aktiv und rekonstruiert selber die fehlenden Dialogpassagen.

Viele Leser lieben den Humor des Buches. Aber die behandelten Themen sind ja nicht nur lustig. Sie schreiben auch über Einsamkeit, das Alter, Krankheit. Gab es für Sie überraschende Reaktionen? Gibt es einen Aspekt des Buches, der Ihnen besonders wichtig ist?
Charlène lebt allein, das Telefon ist für sie ein Mittel, diese Einsamkeit auszugleichen. Sie gehört zu einer Generation von Frauen, die zu früh geheiratet haben und die nicht aufhören können, ihre verlorene Jugend nachholen zu wollen. Sie ist eine aufdringliche Person, die die Sprache nicht nutzt, um sich auszutauschen oder um zu kommunizieren, sondern um die Leere auszufüllen und Ängste loszuwerden. Sie kennt keine Grenzen, hat keinen Filter. Sie spricht mit ihren Kindern über ihr Sexualleben, über ihre Begegnungen im Internet, aber sie neigt auch dazu, sich aus der Ferne in ihr Leben einzumischen. Sie beherrscht alle Techniken emotionaler Erpressung perfekt: Klagen, Drohungen, Annäherungen, überraschende Liebeserklärungen ... Sie hat einen Zwang, sich mitzuteilen, einen krankhaften Drang zu sprechen, und das wollte ich in diesem Text in Szene setzen. Das Werkzeug Telefon ist dafür ideal, denn, wie die Kritiker in Frankreich betont haben, es stellt definitiv die letzte Nabelschnur dar.

Sie haben als bildende Künstlerin begonnen. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Ich habe Philosophie studiert, die Kant’sche Ästhetik entdeckt, deren Lektüre mir die moderne und die zeitgenössische Kunst eröffnet hat. Ich habe dann die Kunsthochschule absolviert. Ich bin sehr stark von der figurativen zeitgenössischen Malerei geprägt, etwa von Gerhard Richter, Luc Tuymans, Marlène Dumas... Aber es gibt Themen, die ich mit den Mitteln der Malerei nicht behandeln konnte, ich brauchte die Worte. Zuerst habe ich auf meine Leinwände geschrieben, einzelne Phrasen, Absätze, bis ich mir schließlich ein Heft gekauft habe, um einen Roman zu schreiben.

*Berthe Bovy (1887 bis 1977) war eine belgische Schauspielerin, die vor allem durch ihre zahllosen Rollen in Komödien bekannt wurde.

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