5 Fragen an ... Bill Buford

5 Fragen an ... Bill Buford

Lieber Bill Buford, als Sie beschlossen, zusammen mit Ihrer Frau und den kleinen Zwillingssöhnen nach Lyon zu ziehen, um dort die Geheimnisse der französischen Küche zu lüften, konnten Sie sich da vorstellen, wie die ersten Wochen verlaufen würden?
Ja, wir hatten eine ganz genaue Vorstellung. Sie würden anstrengend werden, aber wohl recht geordnet verlaufen, vielleicht sogar erfreulich planbar.
Obwohl die Entscheidung nach Frankreich zu ziehen einem spontanen Impuls folgte, war der konkrete Umzug gut vorbereitet: Wir hatten unsere Visa, ein Bankkonto, eine Wohnung und meine Frau Jessica war schon dreimal in Lyon gewesen, um unser Apartment vorzubereiten. Sie hatte Möbel gekauft und aufgestellt, Lampen installiert, einen Fernseher besorgt, Babybetten aufgebaut (unsere Jungs waren damals erst drei Jahre alt) und Kuscheltiere drapiert. Sie machte dann sogar noch eine vierte Reise, um alles für unsere Ankunft vorzubereiten, inklusive Babysitter und einem Esstisch für zwei, der unser Lieblings-Bouchon (ein für Lyon typisches Restaurant) werden
sollte.
Und dann, die Jungs im Schlepptau, verpasste ich den Flug. Und alles entwickelte sich auf spektakuläre Weise ganz anders als gedacht (es wurde ziemlich hässlich).
Wir dachten nie, dass es einfach würde. Aber es hätte nicht so schwer sein sollen.

Die Haute Cuisine ist bekannt für ihre Strenge und die strikten Hierarchien. Was passiert, wenn ein amerikanischer Autor ihre heiligen Hallen betritt und wie kommt er überhaupt rein?
Gute Frage: Er kommt nicht rein. Es gab ein Restaurant, das mich annehmen wollte, das Léon de Lyon, weil man mich da empfohlen hatte. Aber ich schlug diese Chance aus. Heute frage ich mich: Was dachte ich mir bloß dabei?
Ich hatte hochtrabende Pläne. Ich wollte nicht in irgendeinem französischen Bistro arbeiten. Ich wollte ein Restaurant, das kulturell wichtig war, mit Geschichte und Einfluss.
Als wir aufbrachen, schwor ich mir, keine Kochschule zu betreten, ich würde vor Ort lernen. Ich musste klein beigeben und ging dann doch auf die Kochschule.

Aufgeben war keine Option, oder?
Nie. Meine amerikanischen Lektoren fragten, als wir uns gemeinsam über die Stellen im Manuskript beugten, in denen ich von der Zeit in der Küche erzähle (es war nicht immer schön da!): „Warum bist du nicht einfach gegangen?“ Aber ich war genau da, wo ich sein wollte. Was könnte einem als Koch Besseres passieren, als in einem angesehenen französischen Restaurant zu arbeiten, wo ich nicht als Outsider, sondern als Teil des Teams behandelt wurde? Und als Schriftsteller in einer Küche voller außer Kontrolle geratener Maniacs?
Es gab einen Punkt, da war ich besorgt. Es war mein Ziel gewesen, einen Küchenbereich zu leiten. Ziemlich spät sah dieses Ziel immer noch ziemlich unrealistisch aus.

In Ihrem Buch bekommt man spannende Einsichten in die Welt der Haute Cuisine. Und dann wäre da ja auch der Mythos, dass die Italiener den Franzosen das Kochen überhaupt erst beigebracht haben. Wie kamen Sie darauf?
Das stimmt. Ich war komplett davon überzeugt, dass die französische Küche – ihr Hang zum Spektakel, ihr Sinn für das Feierliche, ihre Saucen und auch, die Art, wie man über sie schrieb – im Grunde die italienischen Renaissance zum Ursprung hatte. Erleuchtung in diesem Punkt erlangte ich durch die Vinaigrette, so viel kann ich verraten. Als Gegenargument wird oft ins Feld geführt, dass die Alpen zu hoch waren und es deswegen keinen Austausch geben konnte, weil die Menschen sie nicht überqueren konnten. Und das war ein weiterer Moment: Als wird zusammen mit den Kindern diese historische Route von damals wanderten – sogar zweimal.

Wieso heißt Ihr Buch Dreck?
Mir wurde irgendwann klar, dass mir meine Zeit in Lyon grundlegende Dinge gezeigt hatte: die klassische Lehre, die Wurzeln der französischen Küche und wahrscheinlich, mehr als alles andere, den Geschmack, le goût, ihrer Zutaten und der Gerichte, die daraus entstehen. Ich dachte über „basic“ oder „fundamental“ nach, aber das Wort, das immer wieder kam, weil es ausdrückte, was ich meinte, war „dirt“, Dreck. Dreck ist die Basis der Basis. Während meiner letzten zwei Wochen in Frankreich fand ich dafür Bestätigung (auf einem Kurztrip nach unseren fünf Jahren dort). Ich entdeckte einen wunderbaren, einzigartigen Geschmack in einem Stück Brot und fand heraus, wo der Mann lebte, der das Mehl dafür gemahlen hatte. Er sagte, das Brot sei so einzigartig wegen der Erde, des Drecks, also dem Ort, an dem der Weizen gewachsen war – wegen seiner geologischen Geschichte, seiner Ursprünglichkeit und seiner französischen Art.

 

 

 

 

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