5 Fragen an ... Bernd Polster

5 Fragen an ... Bernd Polster

Lieber Bernd Polster, Walter Gropius gilt als Jahrhundertgestalt der modernen Architektur – Sie präsentieren ihn als raffinierten Hochstapler. Ist das Ihr Ernst?
Unglaublich, aber wahr. Wenn jemand Direktor einer Kunsthochschule wird, die er dann »Bauhaus« nennt, aber weder Künstler, noch Kunsthistoriker und auch kein Lehrer ist, ja, nicht mal einen akademischen Abschluss hat, dann ist das schon eine reife Leistung.

Wann schöpften sie zum ersten mal Verdacht, dass bei Gropius nicht alles in Ordnung ist?
Bei der Arbeit an meinem Buch Bauhaus-Design, das 2009 erschien, fiel mir auf, wie wenig er gemacht hat. Und bei jedem Entwurf gibt es Ungereimtheiten. Dass es in seinem ganzen Leben vor Merkwürdigkeiten wimmelt, konnte natürlich keiner ahnen. Als ich dann feststellte, dass in der 1983 erschienenen, vom ihm selbst lancierten Biografie von den 1242 Seiten nicht einmal eine ganze Seite seiner Kindheit gewidmet ist, wurde mir klar, dass etwas nicht stimmen konnte. Da hat er das Kaiserreich ausgeblendet, das ihm so tief in den Knochen steckte.

Wie konnte sich der Mythos Gropius so lange halten?
Er hat es wirklich clever eingefädelt und war virtuos im Legen falscher Fährten. Die zahlreichen Bücher und Ausstellungen, durch die er seine schiefe Sicht verbreitet hat, taten ihr übriges. Später kam die Heldenverehrung hinzu. Gerade für Letzteres bestand ja in Deutschland akuter Bedarf. Gropius war nach 1945 der gute Deutsche, der half, die Kulturnation zu retten. Irgendwann war es eine selbsttragende Legende.

Muss die Geschichte des Bauhauses umgeschrieben werden?
Da kommt man, denke ich, kaum drumherum. Es klafft ohnehin ein tiefer Graben zwischen der professionellen Beweihräucherung auf der einen Seite, die im aktuellen Jubiläumstaumel gerade einen neuen absurden Höhepunkt erreicht, und dem Stand der Forschung auf der anderen.

Und was bleibt von Gropius?
Wahrscheinlich der unzerstörbare Mythos. Aber vielleicht setzt sich ja doch die Aufklärung durch. Dann wäre Gropius eine moderne Version für Des Kaisers neue Kleider.

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