5 Fragen an ... Behzad Karim Khani

5 Fragen an ... Behzad Karim Khani

Lieber Behzad, wie nahe kommt Hund, Wolf, Schakal deiner eigenen Biographie? Wer verbirgt sich hinter Saam?
Das Buch ist entlang meiner Biographie geschrieben. Die Eckdaten sind die meines Lebens. Ich setze mit Saam und Nima zwei Enden meiner Schicksalsskala in einen Raum und schaue, wie sie miteinander agieren. Saam ist, was ich vielleicht geworden wäre, wenn ich zwanzig Kilo schwerer, zehn Zentimeter größer gewesen wäre. Wenn ich meine Kämpfe durch Gewalt gewonnen hätte. Kämpfe, die ich im realen Leben verloren habe. Ich bin das Resultat der Niederlagen. Saam das der Siege. Und Nima ist die Frage, was wäre, wenn ich mich den Kämpfen nicht gestellt hätte. Wenn ich einfach weggerannt wäre.

Ist Hund, Wolf, Schakal deutsche Gegenwartsliteratur?
Mein Buch ist ein Bastard. Es hat keinen Vater, kennt ihn zumindest nicht. Es ist deutsch, weil es sich gegen die deutsche Sprache behaupten will und dabei mit und in ihr seinen ästhetischen Rahmen findet oder schafft. Aber es steht nicht in der Tradition deutscher Literatur. Da ist kein Hölderlin und Fontane in meinem Buch, kein Böll oder Brecht. Und auch kein Kracht. Wenn ich Glück habe, ein bisschen Peter Weiss, ein bisschen Herrndorf, etwas Musil. Aber nicht mehr. Nas ist in meinem Buch. J. Cole, Iceberg Slim und Gil Scott-Heron. Márquez. Die Russen sind in meinem Buch und dieser schöne Franko-Algerier. Mein Pathos ist persisch, mein Humor, die fehlende Angst vor Kitsch und, dass in einer guten Geschichte zwingend jemand sterben muss, wohl auch. Meine Obszönität kommt aus Frankreich. Das Genre, das ich gewählt habe, aus Südamerika. Ich würde für die Antwort also „deutsch“ und „Gegenwart“ gegenüberstellen wollen. Die deutsche Gegenwart ist nicht deutsch. Sie ist wie mein Buch. Ein Bastard.

Ein renommierter Literaturkritiker sagt über dich, er habe das Gefühl, du seist schon immer „als Schriftsteller durch dein bewegtes Leben gegangen“ …
Vielleicht war es ja deshalb so scheiße. Ich liebe diesen Satz nicht. Es ist ein Kompliment, es schmeichelt und man kann damit kokettieren. Vor allem kann man lange davon zehren, was ich auch getan habe. Weiß Gott. Aber es steckt auch dieses „Ich schreibe schon seit ich acht bin!“ drin. Auf meiner Zunge schmeckt der Satz nach Begabung, die brachgelegen hat. Und das liebe ich nicht. Mit jedem Talent, das Eltern in ihren Kindern zu finden glauben, stirbt etwas in diesem Kind, das wichtiger ist als Talent. Ich komme aus einer Künstler- und Intellektuellenfamilie. Mein Vater ist Schriftsteller. Seine Arbeit ist im Iran nicht ganz unbedeutend. Worte waren schon früh meine Freunde. Die Erwartungen, die sie mitbrachten aber nicht. Ich schrieb und hasste es. Sowohl das Schreiben selbst als auch meine Arbeiten. Ich habe mich mit allen verglichen, und es fraß mich auf, wenn andere besser waren. Jeder gute Roman machte mich wütend. Und ich hatte auch Angst davor, irgendwann meinen Vater zu besiegen. Dann passierte etwas. Ich war vielleicht fünfundzwanzig, und ein Freund meiner Eltern sagte mir: „Es gibt keine guten Autoren, die fünfundzwanzig sind. Wenn du schreiben willst, lass es. Lass es, bis du fünfzig bist. Geh bis dahin raus und erlebe was!“ Er war Philosoph und Schriftsteller. Und er sagte das mit seiner gesamten Autorität und befreite mich. Auch von mir selbst. Das Letzte, was wir von ihm hörten, bevor er sich das Leben nahm, war, dass er auf der Wiese vor der UdK gesessen, Gras aus der Erde gerissen und gegessen hatte. Aber der Tipp war Gold wert.

Gibt es Vorbilder für dich in der Literatur, jemand, der dich besonders inspiriert hat?
Ja. Kendrick Lamar.

Hund, Wolf, Schakal ist dein erster Roman. Wirst du weiterschreiben?
Das zweite Buch entsteht direkt im Anschluss. Es ist ein politisches Buch. Kein Roman. Es geht um Deutschland und den Nahen Osten, und um uns, die dazwischengeraten sind. Ein radikales Friedensangebot, das mit den beiden Generationen nach mir verhandelt wird. Nicht mit meiner oder der Generation davor. Es ist Jugendliteratur, die Schullektüre werden will. Die Fallhöhe entsprechend. Danach will ich ein fiktionales Berlin-Nächte-Buch schreiben. Kurzgeschichten, die durch einen Geldschein miteinander verbunden sind. Jemand muss auch den Iran-Irak-Krieg aufarbeiten, der für meine Kindheit so prägend war, und die Geschichte des iranischen Kinos nach der Revolution erzählen. Sie ist so zart. Das könnte der Stoff für einen Roman sein. Wenn das alles erledigt ist, bin ich fünfzig. Dann habe ich genug erlebt, denke ich. Dann sollte ich mit dem Schreiben anfangen.

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