5 Fragen an ... Bart Moeyaert

5 Fragen an ... Bart Moeyaert

Lieber Bart Moeyaert, Bianca ist als innerer Monolog aus der Perspektive eines 12-jährigen Mädchens geschrieben, die ihre Umwelt messerscharf seziert. Herr Moeyaert, wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Wenn es darum geht, wie ich eine Geschichte erzähle, habe ich vermutlich noch nie “eine Idee” gehabt. Eine Idee klingt, als ob ich auf einmal etwas erfunden hätte. Tatsächlich ist Bianca wie so oft aus einer Szene entstanden, aus einer Momentaufname, in der ich ein Mädchen sehe, das ihr Wohnzimmer betritt und erschüttert feststellt, dass ihre Lieblingsschauspielerin zu Besuch ist. Diese seltsame Erfahrung wird für mich umso spannender, weil ich spüre, dass etwas in einer einzigen Stunde passiert, etwas, das Bianca und ihrer Mutter einen unausgesprochenen Streit liefert. Bianca war von Anfang an die Erzählerin, und ich habe ganz schnell begriffen, dass sie nur ihre eigene Wahrheit erzählen kann (oder sie verschweigt). Als Leser wird man nach einiger Zeit verstehen, dass man allein durch die Augen von Bianca auf die Dinge blickt, und dass Fakten nicht immer Fakten sind.

Haben Sie sich auch auf persönliche Erfahrungen in Ihrer Vergangenheit bezogen?
Hier teile ich aus persönlicher Erfahrung den Ort, wo Bianca hingeht, wenn Sie alleine sein will. Auch ich hatte als etwa 10-Jähriger so einen Ort, wo niemand mich finden konnte. Ich baute eine Hütte an einer Hecke, verschwand in meiner Hütte und fand es wunderbar, dass jeder dachte: der Kleine ist da in seiner Hütte. Was niemand wusste, war, dass ich durch ein Loch in der Hecke kletterte und bei den Nachbarn durch den Baumgarten schlich und in den Hühnerstall hineinkroch. Dort war ich unauffindbar, glaubte ich. Ich dachte nach, zeichnete und verbrachte den Nachmittag mit dem Hypnotisieren von Hühnern.

An wen ist Ihr Buch gezielt gerichtet?
Gezielt? Gibt es denn nur ein Ziel? Bedeutet das, dass alle 11-Jährigen eigentlich gleich sind, und zwar anders als 12-Jährige? Wie furchtbar, wenn das wahr wäre.
Nein: Ich versuche einer bestimmten Stimme Gehör zu verschaffen. In diesem Fall ist es die Stimme von Bianca. Der Leser muss deshalb natürlich nicht das Alter der Hauptperson haben. Aber ich finde es wunderbar, dass die Stimme meiner Hauptperson erkennen lässt, ob das Buch mehr für Kinder oder Jugendliche sein wird. Wahrscheinlich sind es eher Kinder, die sich Bianca nah fühlen. Sobald sie die ersten Seiten des Buches lesen, kriechen sie in Biancas Kopf. Und dann beginnt eine Entdeckungsreise, hoffentlich bis zu einer Stelle, wo die Leser und Bianca einander verstehen.

Bianca und ihre Mutter reden in dem Roman häufig aneinander vorbei. Welchen Tipp würden Sie Familien mit auf den Weg geben, die in einer ähnlichen Situation stecken?
Ich würde vorschlagen: vorlesen, zum Beispiel Bianca. Durchs gemeinsame Lesen kommt man sich näher, weil man eine Erfahrung teilt – im Falle von Bianca teilt man außerdem eine Erfahrung, die man selbst erlebt, nämlich, dass man sich missverstehen kann. So wird die Situation — wer weiß — besprechbar. Denn: miteinander reden, ist doch die einzige Lösung. Peinlich oder nicht, mit Streit oder nicht. Mit einer Umarmung, hoffentlich.

Welcher Satz im Buch ist Ihr Lieblingssatz?
Die schwierigste Frage, die jemand stellen kann. Ich bin froh, dass ich einen Weg gefunden habe, mit dem ich deutlich machen kann, dass in einem Kopf manchmal verschiedene Gedanken und Gefühle zugleich stattfinden. In Bianca markiere ich das mit Schrägstrichen zwischen verschiedenen Worten. Schrägstriche, was für ein schönes Wort ist das, wenn wir über meine liebe, sozusagen “schräge” Bianca reden. (So schräg ist sie gar nicht, schauen Sie genau hin.)

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