5 Fragen an ... Antonio Damasio

5 Fragen an ... Antonio Damasio

Professor Damasio, der Untertitel Ihres Buches Wie wir denken, wie wir fühlen lautet Die Ursprünge unseres Bewusstseins. Was lässt unser Bewusstsein entstehen?
Der Geist wird bewusst, wenn sein Inhalt das einzelne Lebewesen erkennt, in dem er stattfindet. Mit anderen Worten: Das Phänomen des Bewusstseins hat mit Bezug und Zugehörigkeit zu tun. Ich bin mir meines Geistes bewusst, wenn dieser Geist sich unverkennbar auf meinen Körper bezieht, so dass mir zweifelsfrei klar ist, dass er mir gehört.

Kaum eine andere Frage rührt so offensichtlich an den Kern des Menschseins wie die nach dem Bewusstsein. Warum ist es so wichtig für uns, etwas über dieses komplexe Thema zu wissen?
Etwas über das Bewusstsein zu wissen, ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir Licht auf unser Menschsein werfen wollen. In geringfügig anderer Form werden solche Fragen schon seit langer Zeit gestellt. Wie kommt es, dass ein physisches Gebilde wie unser Körper von etwas offensichtlich Nichtphysischem begleitet ist, das unser Leben „beseelt“? Was ist die Natur dieser „anima“, dieses „Geistes“? Letztlich müssen wir nicht nur verstehen, wie sich der Geist zusammensetzt – wie und wo die Bilder erzeugt werden, die unsere Gedanken und Gefühle ausmachen –, sondern wir müssen auch wissen, wie es kommt, dass dieser Geist eindeutig und unzweifelhaft der unsere ist, warum also ein Geist am Ende einem von uns gehört und diesem einen allein.

Ihr neues Buch ist eine einzigartige und im Ton fast poetische Erinnerung an jahrzehntelange originelle, interdisziplinäre Forschungsarbeiten mit dem Ziel, das menschliche Bewusstsein zu verstehen. Was hat Sie veranlasst, für eine Zusammenfassung Ihres Lebenswerkes diesen besonderen, literarischen Schreibstil zu wählen?
Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass eine poetischere Ausdrucksweise mir und meinen Leserinnen und Lesern helfen würde, uns auf bestimmte Schlüsselgedanken zu konzentrieren. Ich möchte nicht, dass solche Gedanken inmitten langer Kapitel verloren gehen. Andererseits wollte ich die Gedanken aber auch nicht vereinfachen. Ich wollte sie schlaglichtartig beleuchten. Aufmerksame Leser kommen mit komplizierten Gedanken durchaus zurecht, wenn sie in poetischer Form komprimiert sind.

In Geistes- und Naturwissenschaft herrscht heute keine große Neigung, Erkenntnisse auszutauschen und gemeinsam an denselben Projekten zu arbeiten – zwischen beiden scheint gewissermaßen ein Graben zu verlaufen. Sie sind besonders dafür bekannt, dass Sie solche Gräben umgehen und die Erkenntnisse verschiedener Fachgebiete einbeziehen. Glauben Sie, dass wir dies in einer Welt, die von Tag zu Tag komplizierter wird, ganz allgemein häufiger tun sollten?
Der Dialog zwischen Geistes- und Naturwissenschaften ist heute notwendiger denn je, aber ihn erfolgreich zu führen, ist vielleicht auch schwieriger denn je. Das hat mehrere Gründe. Auf Seiten der Naturwissenschaften wächst die Menge neuer Fakten ebenso wie die Komplexität der Methoden, die ihre Entdeckung möglich machen. In den Geisteswissenschaften dagegen liegt das Problem nicht nur in der großen Zahl komplexer Tatsachen, sondern auch in den vielfältigen gesellschaftlichen und politischen Einstellungen, die in ihre Interpretation einfließen. Ich bin aber nach wie vor überzeugt, dass ein Dialog zwischen Natur- und Geisteswissenschaften nicht nur möglich, sondern auch unentbehrlich ist. Nur so können wir widerspruchsfrei beschreiben, wer wir als Lebewesen sind und was die Natur unseres Universums ist.

Was halten Sie nach jahrzehntelanger Forschung für die überraschendste, entscheidende Erkenntnis Ihrer Laufbahn?
Die überraschendste und entscheidende Erkenntnis hatte ich schon frühzeitig. Mir wurde klar, dass das Leben der Affekte – das Leben der Gefühle und Emotionen – etwas anderes ist als das Leben der Systeme für allgemeine Wahrnehmung, Überlegungen, Berechnungen und Übertragungen, aber eng mit ihm zusammenhängt. Beide Bereiche sind in der langen Geschichte des Lebendigen zu unterschiedlichen Zeiten ins Dasein getreten. Die Verarbeitung der Affekte ging der Analyse der Fakten voraus und trug schon frühzeitig zu unserem Überleben bei. Aber beide Bereiche können zusammenwirken und müssen auch zusammenwirken, wenn wir als Menschen weiterhin Erfolg haben wollen.

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