5 Fragen an ... Alaa al-Aswani

5 Fragen an ... Alaa al-Aswani

Herr al-Aswani, Die Republik der Träumer handelt von den Hoffnungen und dem Scheitern der Ägyptischen Revolution 2011. Waren Sie zum Zeitpunkt der Revolution selbst in Ägypten?
Ich war damals in Kairo. Nach der Revolution in Tunesien war es sehr inspirierend dort zu sein, aber ich rechnete eigentlich nicht damit, dass es auch in Ägypten zu einer Revolution kommen würde. Ich schrieb gerade an meinem Roman Der Automobilclub von Kairo und wollte keinen Tag des Schreibens verlieren, aber als die Revolution anfing, lebte ich praktisch für achtzehn Tage auf dem Tahrir-Platz, und organisierte in meiner Zahnarztpraxis in Kairo Konferenzen für die ausländische Presse. Es war eine großartige Erfahrung. Bis ich dann aber einen Roman über die Ereignisse schreiben konnte, vergingen ungefähr fünf Jahre. Man muss in der Fiktion eine gewisse Distanz haben, zu dem was passiert ist, den eigenen Gefühlen und Erinnerungen, um das zu transportieren, was menschlich ist.

Das Buch wurde in der arabischen Originalsprache in Beirut veröffentlicht, dann in Italien und Frankreich, aber nicht in Ägypten. Wie kommen Ihre Leser dort an das Buch?
Das Buch wurde in Ägypten verboten. Von der Woche an, in der al-Sisi an die Macht kam, wurden mir öffentliche Auftritte und das Schreiben untersagt. Sogar bereits veröffentlichte Bücher wurde nicht mehr nachgedruckt, sobald sie vergriffen waren. Als ich Die Republik der Träumer schrieb, meinte mein ägyptischer Verleger, dass ich dafür ins Gefängnis kommen würde, wenn ich es veröffentlichen sollte. Ich war bereit dafür, aber er nicht, und so veröffentlichte ich es in Beirut. Mit dem Verbot wurde das Interesse an dem Buch aber viel größer und es wurden Fotokopien angefertigt, die unter der Hand in Ägypten zirkulieren, obwohl man für den Besitz des Buches verhaftet werden kann. Wenn man nach Ägypten reist, sollte man das Buch also nicht dabeihaben.

In Die Republik der Träumer gibt es eine Vielzahl wunderbarer Charaktere, Studenten, die Tochter des Geheimdienstchefs und einige mehr. Woher hatten Sie die Inspiration für Ihre Protagonisten?
Ich habe die Revolution und die Menschen, die daran beteiligt waren, selbst erlebt und so ist auch der Roman von realen Personen inspiriert. Wie eigentlich alle meine Romane. Aber es gibt eine Formel, die ich immer anwende: Fiktion = Realität + Imagination. Ich kopiere Menschen nicht einfach nur – sehr selten findet man Personen, die ohne Änderungen eine literarische Figur sein könnten – ich lasse meine Imagination spielen, d.h. ich lasse Qualitäten einer Person weg, die für den Roman nicht relevant oder verwirrend sind, oder füge manchmal zwei, drei Personen zu einer Figur zusammen.

Im Buch gibt es die Geschichte von Asma’ und Mazen, die ein Paar werden und die am Ende eine gegensätzliche optimistische bzw. pessimistische Einstellung zur Revolution haben. Wie ist Ihre Haltung zwischen den beiden Positionen und wie schätzen Sie die Rolle der Frauen ein?
Als Schriftsteller verhalte ich mich wie ein Schauspieler: Wenn ich Mazen schreibe, werde ich Mazen, wenn ich Asma’ schreibe, werde ich Asma’. Tatsächlich bin ich selbst Mazens Haltung aber näher. Ich verstehe Asma’ und wieso die Menschen der Meinung sind, die Ägypter haben uns enttäuscht. Aber was ich mit Mazen teile ist der Optimismus, kein romantischer Optimismus, sondern ein realistischer, dass die Revolution zwar verschoben, aber nicht verhindert werden kann. Denn das ist einfach unmöglich. Wenn das Bewusstsein für die Revolution einmal zum Leben erweckt ist, ist es irreversibel. Es wird einige Zeit dauern (nach der Französischen Revolution gab es die Gegenrevolution), aber irgendwann wird die Revolution erfolgreich sein und wir können gemeinsam den Staat erschaffen, den wir von Anfang an wollten. Man muss sagen: Ohne die Frauen hätte die Revolution nicht länger als einen Tag gedauert. Mindestens ein Drittel der Beteiligten waren Frauen. Die Revolution wollte nicht nur einen politischen Wandel, sondern einen absoluten. Frauen haben in der ägyptischen Geschichte eine wichtige Rolle gespielt, wie z.B. Lotfia el-Nadi, die die zweite weibliche Pilotin weltweit war. Unsere Kultur wurde von der Diktatur und dem Wahhabismus zerstört. Die Revolution war eine Art Renaissance, ein Wiedererwachen von Ideen, und wir sind zu unserer Kultur zurückgekehrt. Den Konflikt zwischen der Allianz aus Religion und Diktatur und den neuen Ideen gibt es nach wie vor. Aber ich vergleiche es mit der Situation in Russland zwischen 1829, zur Zeit der ersten Bewegungen gegen den Zaren, und dem Beginn der Revolution 1917. In diesen neunzig Jahren gab es ebenfalls einen ständigen Konflikt zwischen dem alten Regime, der Kirche und der Revolution.

Was bedeutet der ägyptische Nobelpreisgewinner Nagib Mahfuz für Sie und Ihr Schreiben?
Er war ein großartiger Schriftsteller. Ich schätze mich sehr glücklich, weil er ein Freund meines Vaters war. Ich kannte ihn daher persönlich und er war eine Inspiration in jeder Hinsicht. Er ist einer der besten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, aber als Mensch war er sehr bescheiden und offen. Literatur war seine oberste Priorität. Ich schrieb damals bereits und er sagte zu mir, dass es das Wichtigste als Schriftsteller sei, sich zwei Fragen zu stellen: Erstens, habe ich Talent oder nicht und zweitens, ist Literatur meine erste Priorität – ja oder nein? Wenn Literatur nicht die erste Priorität war, empfahl er, das Schreiben aufzugeben, weil man es zu nichts bringen würde. Man muss der Literatur loyal sein und dann bekommt man auch Anerkennung. Zumindest ist es mir so ergangen. Ich muss sagen – aber das ist vielleicht ein schwieriges Thema –, er hätte den Nobelpreis auch schon 20 Jahre früher verdient. Er erhielt ihn erst, als es quasi unmöglich war, ihn länger zu ignorieren. Der wahre Preis ist für mich aber, wenn all die Stunden, Wochen, Monate des Schreibens in Einsamkeit von den Lesern wertgeschätzt werden.

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