5 Fragen an ... Adrian Daub

5 Fragen an ... Adrian Daub

Adrian Daub, Sie leben bereits seit Ihrem 16. Lebensjahr in den USA. Kommt Ihnen Deutschland technologisch wie ein Entwicklungsland vor, wenn Sie aus San Francisco zurückreisen?
Nein, technologisch gesehen hinkt Deutschland selbst der Bay Area nur geringfügig hinterher. Aber man merkt, dass Technologie im Denken der Deutschen noch eine andere Rolle spielt. Man behandelt die neuen Medien wie etwas Gegebenes, wie etwas, das entweder so oder so ist und dessen Sosein man gewissermaßen ausgeliefert ist. In den USA, und gerade um Stanford herum, ist dagegen sehr klar, dass nur wir eine Technologie zu dem machen, was sie ist. Umgekehrt begegnet man dann in Deutschland häufig der Vorstellung, man könne sich der neuen Medienwelt komplett verschließen – gerade im Silicon Valley kennen wir diese Vorstellung nicht. Wir können uns aussuchen, wie wir in dieser Welt leben wollen, aber sie grundsätzlich zu verdammen, führt hier nicht weit.

Was ist das Besondere am kalifornischen IT-Standort Silicon Valley?
Positiv gesagt: Es hat sich hier sehr viel Kreativität angesiedelt, es gibt hier viele unkonventionelle Denker. Die andere Seite: Die Kreativität an sich hat den Wirtschaftsstandort nicht bestimmt, sondern der Wille, diese Kreativität in ganz bestimmte Schablonen zu pressen. Schablonen, durch die sich Unkosten vermeiden und Geld verdienen lässt. Das kann manchmal sehr charmant sein, etwa bei Pixar, das in Emeryville bei Oakland zu Hause ist. Aber den Charme der vorangegangenen kalifornischen Subkulturen – der Merry Pranksters, der Beatniks oder der Schwulenbewegung etwa – machte ja gerade aus, dass damals Unkonventionalität nicht gleich zu Geld gemacht wurde.

Wie lässt sich die Fixierung europäischer Politiker und Journalisten auf das Silicon Valley erklären?
Salopp gesagt: Es ist schön hier, es regnet fast nie, die Firmen haben aufregende Zentralen. Ich nehme mal an, dass deutsche Politiker und Journalisten in den 80ern nicht so viel nach Detroit geflogen sind wie heute nach San Francisco. Andererseits will man natürlich wissen, wohin die Reise geht – und man scheint zu denken, diese Firmen wüssten das. Aber jedem Facebook und Google stehen mehrere Pets.coms, MySpaces oder Friendsters gegenüber – das Silicon Valley ist ein Riesengewebe aus einander ausschließenden Wetten auf die Zukunft. Einige von diesen Unternehmen werden wirklich unsere Lebensart verändern. Aber es gibt sicher auch Firmen wie etwa LinkedIn oder Twitter, die jetzt von Journalisten und Politikern besucht werden, von denen die Branche jedoch schon längst annimmt, dass sie demnächst pleitegehen.

Sie sind Geisteswissenschaftler an einer Universität. Hassen Sie den Tech-Boom, der Ihre komplette Stadt verändert?
Hassen ist zu viel gesagt. Ich muss dazu sagen, dass ich ein San Francisco vor dem Tech-Boom gar nicht gekannt habe. Als ich hierherzog, waren die Umwälzungen schon längst im Gange, auch wenn es noch keine Tech Shuttles und keine Ubers gab. Es hat sich in den letzten Jahren nur eine Entwicklung beschleunigt, die schon länger im Gange war. Aber die Überbetonung der Plattformen und die Entwertung der Inhalte ist natürlich für unsere Studenten katastrophal und für die Stadt San Francisco auch nicht gut: Wenn ein Student heute Journalist werden will, muss er sich aufs Prekariat vorbereiten; wenn er dagegen ein Format programmiert, das Nachrichtentexte abgreift, dann wird er reich. Das befördert nur eine ganz bestimmte Form der Kreativität, und das macht mir Sorgen.

Immer neue Apps, Start-ups und Geschäftsideen. Finden Sie irgendetwas sinnvoll an dieser kalifornischen Variante des Kapitalismus?
Ich bin kein Ökonom und weiß daher nicht, wie Kapitalismus genau zu sein hat, um sinnvoll zu sein. Aber mich bestürzt, wie eklatant Anspruch und Realität hier oft auseinanderklaffen. Ich saß vor einigen Wochen in einem Wartezimmer bei Facebook, und pausenlos liefen irgendwelche Werbespots darüber, wie Facebook die Welt verbessert. Ich konnte nur auf mein Smartphone starren, voller Katzenfotos und immer neu gesharter Zeitungsartikel, und denken: Zwischen Werbung und Realität geht hier doch gehörig etwas schief.

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