5 Fragen an ... Menachem Kaiser

5 Fragen an ... Menachem Kaiser

Lieber Menachem Kaiser, was ist das Besondere an Ihrem Buch?
Die Geschichte, die ich in Kajzer erzähle – nämlich mein Bestreben, das Gebäude meines Großvaters zurückzuerobern und dabei auf moderne Schatzsucher zu stoßen –, ist keine geradlinige Geschichte. Nichts lief wie geplant. Es gab so viele Missgeschicke, Missverständnisse und Fehler, und das Buch beschönigt diese nicht, es glättet die Unebenheiten nicht.

Welche Leser:innen werden Ihr Buch gerne lesen?
Jeder, der sich mit seiner Familiengeschichte auseinandergesetzt hat oder auseinandersetzen will, insbesondere im Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg. Viele von uns wissen nicht, was ihre Eltern, Groß- oder Urgroßeltern im Krieg durchgemacht haben, oder sie kennen davon nur Bruchstücke. Und ich glaube, manchmal sind wir ein wenig selbstgefällig, uninteressiert, zufrieden mit nicht detaillierten Familienüberlieferungen, weil sie schon immer da waren. Dabei lohnt es sich, Nachforschungen anzustellen, in die eigene Geschichte einzutauchen. Sie ist viel seltsamer, komplizierter, schöner und tragischer, als man denkt.

Nennen Sie uns ein wahres Detail aus Ihrem Buch, das die Leser:innen nur schwer glauben werden.
Die Art und Weise, wie ich zum ersten Mal von meinem Verwandten Abraham Kajzer, dem von den heutigen polnischen Schatzsuchern so verehrten Mann, erfuhr, klingt zugegebenermaßen nach einer unwahrscheinlichen Geschichte. Ich war auf diese Schatzsucher zunächst nur neugierig, hatte noch nie etwas von Abraham gehört – ja, ich wusste nicht einmal, dass mein Großvater Verwandte hatte, die den Krieg überlebt hatten. Und so geschah es: Ich saß mit ihnen zusammen, trank Bier und unterhielt mich über das sogenannte Projekt Riese – den unterirdischen Nazi-Komplex, den sie mir an diesem Nachmittag gezeigt hatten –, und hörte, wie sie auf Polnisch meinen Nachnamen sagten. Ich spreche kein Polnisch, ich habe nur meinen Namen mitbekommen, und wusste, dass sie mich nicht meinten. Ich fragte also, wer dieser Kaiser sei. Sie erklärten mir, dass es um Abraham Kajzer ging, einem jüdischen Zwangsarbeiter, der aufgrund des Tagebuchs, das er während seiner Arbeit am Projekt Riese geführt hatte, zu einer fast mythologischen Figur in ihrer Gemeinschaft geworden ist. Mein erster Gedanke war, dass es sich um einen komischen Zufall handelt. Aber später, nachdem ich einige Dokumente herausgesucht und das Vorwort von Kajzers Tagebuch übersetzt hatte, konnte ich den Familienstammbaum zurückverfolgen und stellte fest, dass es der Cousin ersten Grades meines Großvaters war, der als engster Verwandter den Krieg überlebt hatte.

Auf welche Widerstände sind Sie beim Schreiben dieses Buches gestoßen?
Restitution ist ein heikles Thema. Widerstand gab es von allen Seiten. Einige Leute, darunter viele meiner Verwandten, waren enttäuscht und verärgert darüber, dass ich den Polen, die in dem alten Gebäude meines Großvaters lebten und die – wenn auch unwissentlich – von der Ermordung der Familie meines Großvaters profitierten, so viel Sympathie entgegenbrachte. Und einige Leute, vor allem in Polen, warfen mir vor, so etwas wie ein böser Vermieter zu sein, der versucht, hilflose Mieter zu vertreiben. Beide Einwände verstehe ich, auch wenn ich sie nicht teile.

Gibt es irgendetwas in Ihrem Buch, das Sie nervös macht, wenn Sie wissen, dass es die Leute lesen werden?
Eines der Kapitel beschreibt die Beziehung zwischen Abraham und der deutschen Frau, die ihn in den letzten Kriegswochen versteckt und ihm das Leben gerettet hat. Sie wurden ein Liebespaar; nach dem Krieg blieb Abraham bei ihr und ihren Kindern. (Ihr Mann, ein Wehrmachtssoldat, fiel an der Front.) Es ist eine schöne, aber auch sehr schwierige Geschichte – nicht gerade ein Tabu, aber dennoch nicht die Art von jüdisch-deutschen Kriegsgeschichten, an die man gewöhnt ist.

Aus einem Interview von bookpage.com, März 2021.
Aus dem Englischen von Astrid Saller

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