5 Fragen an ... Martin Amanshauser

5 Fragen an ... Martin Amanshauser

Was war Ihre allererste Idee zu Ihrem neuen Roman "Der Fisch in der Streichholzschachtel"?
Ich saß auf einem Balkon in Willemstad, das ist die Hauptstadt von Curaçao. Vor mir war die Hafeneinfahrt, durch die große Öltanker, kleine Lotsenschiffe und auch einige Kreuzfahrtschiffe fuhren. Gegenüber lag eines der Letzteren vertaut. Als ich auf das Wasser sah, fuhr da plötzlich so ein historisches Segelschiff ein, ein Dreimaster aus massivem Holz. Er wirkte neben dem Kreuzfahrtschiff ziemlich klein und hilflos. Ich stellte mir vor, wie der Kleine am Großen anlegen würde und Piraten, die in Wirklichkeit Schauspieler waren, das Schiff enterten – zur Delektierung der Gäste. Dort ist es denen ja ohnehin langweilig. Das wäre ein gutes Entertainment, dachte ich. Am gleichen Tag schrieb ich die ersten 15 Seiten und am nächsten Tag weitere 15. Es ist dann ganz anders geworden, aber das war der Ausgangspunkt. Das war im Februar 2013.

Ein Kreuzfahrtschiff und ein Piratenschiff sind die zentralen Schauplätze Ihres Romans. Haben Sie eine Lieblingsfigur auf einem oder beiden Schiffen, und wenn ja, weshalb?
Ganz klar sind das meine beiden Ich-Erzähler gewesen, während des Schreibens – und wenn ich das Buch vor Publikum vorlese, werde ich mich auch wieder mit ihnen identifizieren. Lieblingsfiguren sind sie aber nicht in dem Sinne, dass ich sie im wahren Leben gerne oder am liebsten treffen würde! Man hat mit Ich-Erzählern einfach zu viel Zeit verbracht, als dass eine ordentliche Beziehung möglich wäre, denn ein Teil des Ichs von beiden muss ja immer ich selbst sein. Ich würde mich von denen eher distanzieren auf einer Party oder, sagen wir, auf dem Bürgermeister-Empfang. Sie reden mir zu viel. Dann schon lieber die Frauen, Anne Bonny, die Piratin, oder auch Rafaela, die Kreuzfahrtdirektorin. Seltsamerweise gefällt mir diese Nebenfigur als Abbildung in meinem Kopf am besten, und zwar weitaus am besten. Aber ich habe natürlich versucht, das vor den Lesern zu verbergen.

Sie haben in Ihrem Roman zwei Handlungsstränge mit einander verwoben, Kapitel, die auf dem Piratenschiff spielen, wechseln mit jenen auf dem Kreuzfahrtschiff ab. Haben Sie einen Handlungsstrang durchgeschrieben oder abwechselnd an beiden gearbeitet? Gibt es eine Perspektive, die Ihnen leichter gefallen ist?
Hätte ich zuerst einen und dann den anderen Strang geschrieben, würde es doch in gewisser Weise auch bedeuten, dass die beiden Stränge wenig miteinander zu tun haben, dass ich also zwei Geschichten erzähle und sie am Ende nach Belieben mische, oder? Ich mag solche Bücher gar nicht. Bei mir sind die zwei Ebenen zwei Seiten eines Ineinandergreifenden – und das soll man auch spüren. So unterschiedlich sie sind, so sehr gehören sie zusammen, bedingen einander an manchen Stellen. Es war teilweise nur möglich, die eine Ebene zu denken, indem auch die andere mitgedacht wurde. Und ab einem gewissen Punkt stehen die Personen der beiden Schiffe ja im Austausch. Da war es natürlich schon oft so, dass ich mich zuerst auf die eine Sache konzentriert habe und dann auch die andere. Oft habe ich mich auch nach der jeweils anderen gesehnt, hatte aber auch eine gewisse Furcht vor ihr – werde ich wieder in den Ton hineinfinden? Gelegentlich habe ich beim Schreiben dann auch wirklich den Ton und damit die Personen verwechselt, besonders, wenn ich müde war.

Ihre Hauptfigur Fred Dreher ist verheiratet; seine Exfreundin Amélie beschäftigt ihn aber auch noch ganz ordentlich. Wie würden Sie seine Beziehung zu den beiden Frauen charakterisieren?
Sie ist von der Situation vorgegeben, wir kennen das alle: Jemand hat eine fixe Beziehung. Das heißt aber nicht, dass ihn andere Menschen nicht auch beschäftigen. Wenn sie das nicht tun, ist er tot. Ich finde aber, das Interessante ist, Freds Beziehung zu beiden Frauen ähnelt sich, sieht man einmal ab von der völlig unterschiedlichen Ausgangsposition Ehe und lang verschwundene Ex. Er glaubt, in allem ziemlich gut zu sein, aber in Wirklichkeit entgeht ihm die Hälfte der Dinge, auf beiden Seiten. Er kommt schließlich zu einem Punkt, wo er sich entscheiden muss, was er denn nun will. Er glaubt nämlich, dass beides geht, und längere Zeit sieht es auch danach aus. "Schlaf mit ihr", sagt er sich selbst. Aber so leicht ist das nicht.

Fred versucht während der Reise beziehungsweise während des Romans mit sich ins Reine zu kommen. Was denken Sie, hat er es geschafft?
Mit sich ins Reine gekommen ist er vielleicht nicht ganz. Seine Charakteristika und Macken schleppt er ja weiter mit sich rum, und das sind bei Fred nicht wenige. Aber er hat sich selbst überwunden, hat Entscheidungen getroffen, und in gewisser Weise ergibt sich für ihn am Ende etwas anderes, wenn er auch für eine herkömmliche Karriere, wie er sie sich vorgestellt hat, nicht mehr tauglich ist. Insofern hat er es geschafft. Aber er hat nicht das geschafft, was er anstrebte.

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