5 Fragen an ... Margarita Kinstner

5 Fragen an ... Margarita Kinstner

Die Schmetterlingsfängerin ist Ihr zweites Buch. Wie war der Schreibprozess für Sie im Vergleich zu Ihrem ersten Roman, gab es markante Unterschiede, und wenn ja, welche?

Am liebsten würde ich sagen: Alles war anders. Als ich Mittelstadtrauschen begann, wusste ich ja nicht einmal, ob sich ein Verlag dafür interessieren würde. Als ich Die Schmetterlingsfängerin schrieb, katapultierte sich mein Debüt gerade in Höhen, an die zu denken ich nicht einmal in meinen kühnsten Träumen gewagt hatte. Unerwarteter Erfolg ist etwas Wunderschönes, aber er macht auch Angst. Meine Lektorin und meine LeserInnen hatten wesentlich mehr Vertrauen in mich als ich selbst. Ich schrieb, löschte, schrieb neu, löschte … Ein guter Freund wies mich schließlich darauf hin, dass ich das auch schon bei Mittelstadtrauschen getan hätte. Und er gab mir einen wertvollen Tipp: "Such dir endlich ein Hobby, denn Schreiben ist Arbeit!" Also spiele ich jetzt Ukulele und lerne Bosnisch.

Ihre Protagonistin Katja geht der Geschichte ihrer Familie, ihrer Eltern und Großeltern nach. Hatten Sie beim Schreiben des Romans reale Vorbilder für diese Personen?
Es wird bei mir immer reale Vorbilder geben. Man erfindet ja nichts neu, weder das Rad noch die Menschen. Ich beobachte gerne, ich höre zu. Daraus entstehen kleine, bunte Splitter, die ich sammle. Wie in einem Kaleidoskop schüttle ich sie so lange, bis sie ein Muster ergeben. Das ist für mich der Unterschied zwischen Literatur und Reportage. Wenn meine Protagonisten aus meinem Fleischwolf herauskommen, haben sie mit den realen Vorbildern so gut wie nichts mehr zu tun.

Katja entschließt sich, nach Sarajevo zu ziehen. Hätte das auch jeder andere Ort sein können, oder hat dieser Ort für Sie eine spezielle Bedeutung; haben Sie auch vor Ort recherchiert?
Tatsächlich bin ich erst durch Katja nach Sarajevo gekommen. Ich hatte ursprünglich einen anderen Ort im Kopf, aber der liegt in einer anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik. In Sarajevo traf ich dann genau die Familie, die zu Danijel passte. Es war, als fände ich mich in meinem eigenen Roman wieder. Seitdem bin ich mehrere Male in Bosnien gewesen, nicht nur in Sarajevo. Die Schmetterlingsfängerin ist jedoch eine österreichische Familiengeschichte – und es ist eine Liebesgeschichte. Wenn ich das Leben in Bosnien-Herzegowina in den Vordergrund gestellt hätte, wäre es ein anderer Roman geworden. Der übrigens gerade entsteht …

Ihre Protagonistin setzt sich intensiv mit dem Themenkreis Heimat/Fortgehen/Ortswechsel auseinander. Ist das etwas, womit auch Sie prägende Erlebnisse hatten?
Als Kind haben mich die Luftpostbriefe fasziniert, die meine Großmutter schrieb. Allein die Vorstellung, Verwandte in Kanada zu haben … Nach dem Tod meiner Großmutter kramte ich in unserer Familiengeschichte. Da wurde mir erst bewusst, wie viele meiner Vorfahren ihre Heimat verlassen hatten. Ein Urgroßvater kam aus Kroatien, ein anderer aus Mähren. Die Geschwister meiner Großmutter suchten Arbeit in der Schweiz und in Kanada, selbst meine Großmutter hatte schon ein Visum. Ich traf mich mit meiner heute neunzigjährigen Großtante und ließ mir erzählen. Dabei stieß ich auf lustige, tragische, traurige und ziemlich verrückte Geschichten, die ich unbedingt als Vorlage verwenden wollte. Aber es geht ja nicht nur um Emigration. Es geht auch um das Trennende innerhalb einer Familie. Um die Frage nach der Zugehörigkeit. Um Missverständnisse, die zu ungewollten Verletzungen führen. In Katjas Familie gibt es viele Familienlandschaften. Das Bewegen innerhalb dieser Landschaften hat mich immer interessiert – vielleicht, weil ich selbst Teil einer Patchworkfamilie bin.

Wie würden Sie Heimat definieren?
Meine erste Assoziation: Lederhosen, Humptata-Gesang und Nationalismus. "Mir san mir", die anderen sollen wieder dorthin zurück, wo sie hingehören – nämlich in ihre Heimat. Was ist Heimat? Vielleicht eine sentimentale Postkarte aus der Kindheit. Für meine ausgewanderten Großtanten waren es wohl die Briefe der Schwestern. Heimat findet man aber auch überall dort, wo man willkommen geheißen wird. Als ich in Judenburg am Artist-in-Residence-Programm teilnahm, haben meine Kollegen und ich festgestellt, dass sich unsere Themen überschneiden. In unseren Projekten ging es um Wurzeln, um Abwanderung und neue Heimaten. Für den Titel der Ausstellung haben wir schließlich den Begriff "Zuhäusern" kreiert. Warum sollte ein Mensch nicht mehrere Zuhause (Zuhäusern) haben? Zuhäusern kann aber auch heißen: Einen Ort mit Häusern zupflastern. Das Heim ist ja für viele das eigene Haus. Ganz nach dem Motto: My home is my castle. Manche ziehen sich in ihre eigenen vier Wände zurück und würden am liebsten überall, wo es geht, Mauern aufbauen, damit kein anderer in ihr Heim / ihre Heimat eindringen kann. Das fängt beim eigenen Gartenzaun an und endet bei ertrunkenen Flüchtlingen im Mittelmeer.

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