5 Fragen an ... Lisa Moore

5 Fragen an ... Lisa Moore

Lisa Moore, wie sind Sie auf die Idee für das Buch Der leichteste Fehler gekommen?
In meiner Jugend, als ich mich häufig in den Bars von St. John’s herumtrieb, kursierten ähnliche Geschichten in Neufundland, wie sie in Der leichteste Fehler zu finden sind. Junge Männer mussten erkennen, dass sich der Fischbestand, von dem die Neufundländer finanziell abhängig waren, verringerte. Die Fischerei stand vor dem Aus. So taten sich einige junge Männer zusammen, um ein waghalsiges Ding durchzuziehen: die größte Menge Marihuana nach Kanada zu bringen, die es je gegeben hatte. Diese jungen Männer – so sagte jeder – waren charmante, gutaussehende Typen, höflich, aber auch abenteuerlustig. Die Geschichten über diese Männer wurden immer mit einer gewissen Ehrfurcht erzählt. Sie schienen Volkshelden zu sein. In den 70er Jahren war Marihuana in Neufundland etwas Neues, und diese jungen Männer brachen sicherlich mit allen Regeln, aber niemand schien ihnen das übel zu nehmen. Sie wurden hartnäckig bewundert. Sie waren wild, unerschrocken und mutig. Ich kannte all diese Geschichten und las noch mehr von ihnen in alten Zeitungen im Centre for Newfoundland studies. Es genügte, einige der Überschriften zu lesen. Ich konnte nicht anders, als immer weiterzublättern und zu erfahren, was als Nächstes passiert war. Die Geschichte enthielt alle Elemente eines Abenteuers. Ich wollte einen fiktionalen Roman schreiben, also erfand ich Charaktere und habe mir viele Szenen und Begebenheiten ausgedacht. Ich ließ mich von der rebellischen Natur der Geschichte in ihren Bann ziehen. Von diesen jungen Männern, die sich für unfehlbar hielten und ihr Schicksal in die Hand nahmen.

Warum interessieren Sie sich für die 70er Jahre?
Ich bin in den 70ern aufgewachsen. Es war die Zeit, in der das soziale Netz in Kanada noch stark und intakt war. Das Land investierte in soziale Programme, Erziehung und das Sozialwesen. Es war sehr fortschrittlich. Die Leute fingen an, Marihuana zu rauchen, sie glaubten an psychologisches Experimentieren. Man nahm damals an, dass Marihuana Türen zu verschlossenen Bereichen im Gehirn öffnen könnte. Es schien so, als würden die Leute mit allem Möglichen experimentieren. Es gab eine bisher ungekannte sexuelle Freiheit. Die Rolle der Frau außerhalb des Haushalts öffnete sich. Es gab die Pille. Alles schien voller Möglichkeiten und Risiko. Aber Ende der 70er Jahre wurde der Drogenschmuggel gewalttätig, und die Drogen wurden härter, gefährlicher. Das soziale Netz löste sich schnell auf. Und die Regierung begann, in Überwachungstechnologie zu investieren. Die 70er Jahre scheinen wie eine Metapher für den Mythos eines Garten Eden zu sein, für den Verlust der Unschuld. Im Roman entwickelt die Polizei eine neue Technik zur Überwachung, so dass die Bewegungen meiner Charaktere verfolgt werden können. Dies erschien mir geradezu mythisch. Es handelt sich dabei um die Art von Überwachung, wie sie heute allgegenwärtig ist, eine alltägliche Überwachung, die wir kaum noch hinterfragen. Daher erschien es mir möglich, in meinem Roman die 70er Jahre als eine Art verlorenes Paradies darzustellen.

Was bedeuten für Sie Freiheit und Abenteuer?
Ich glaube, dass Wünsche die Triebkraft aller Fiktion sind. Freiheit, sowohl im realen Leben als auch in der Fiktion, bedeutet, dass man diesen Wünschen folgen kann, egal, um welche es sich handelt, manchmal mit verheerenden Folgen. Manchmal können die Folgen auf etwas Tieferes oder Höheres hinweisen. Sexuelles Verlangen, der Wunsch nach Wissen, der Wunsch, etwas zu erschaffen, der Wunsch zu lieben. Und Abenteuer bedeutet, dass man alles riskiert, um dem zu folgen, was man möchte. Es einfach macht.

Ist Schreiben ein Abenteuer?
Für mich ist Schreiben ein Abenteuer. Ich liebe es, nicht zu wissen, was als Nächstes kommt. An einem bestimmten Punkt beim Schreiben von Der leichteste Fehler wusste ich nicht, wie ich meine Charaktere nach Hause bringen konnte.
Neufundländer wollen tief im Innern immer nach Hause gehen, egal, wo in der Welt sie sich gerade aufhalten, egal, wie lange sie weg gewesen sind. Einige verlassen die Insel wegen besserer Jobchancen, haben Familien auf dem Festland und werden in ein komplexes Leben verstrickt, das von ihnen verlangt, dass sie bleiben, wo sie sind. Aber noch 60 Jahre später versuchen sie, nach Hause zu gelangen. Der Roman zieht einige Parallelen zu Odysseus. Ich wusste, dass ich meine Protagonisten nach Hause bringen musste, aber sie saßen fest. Der Kampf herauszufinden, wie die Geschichte weitergehen sollte, bereitete mir Kopfschmerzen – aber dann wachte ich eines Nachts plötzlich auf, und mir war klar, was passieren musste. Es bereitete mir ein großes Glücksgefühl, dies so plötzlich zu wissen.

Wie wichtig ist in Ihrem Roman der Aspekt der Überwachung?
Der Roman erzählt von den Anfängen einer Satellitentechnologie, mit deren Hilfe die Polizei meine Helden auf ihrer Reise verfolgen kann. Natürlich wissen meine Helden nicht, dass sie verfolgt werden. Sie hätten die Erfindung einer solchen Technologie nie für möglich gehalten; sie können das nicht einplanen oder sich davor schützen.
Ich beschreibe den Satelliten als Auge eines Zyklopen, hoch am Himmel stehend, das alles sehen kann und alles weiß. Natürlich erinnert diese Technologie auch an einen strafenden alttestamentlichen Gott.
Ich wollte mich mit dieser Art mythischer, allsehender Überwachung beschäftigen. Seit den 70er Jahren bestimmt die Überwachung jeden Bereich unseres Lebens – unsere Einkäufe werden aufgezeichnet, unsere Kinder werden in den Schulkorridoren gefilmt, unsere Häuser sind in Google Maps verzeichnet, und manchmal, wenn wir diese Google-Maps-Bilder vergrößern, können wir sogar den verpixelten Schatten einer Gestalt hinter dem Vorhang eines Schlafzimmers erkennen. Alles ist öffentlich. Die Privatsphäre wurde ausgelöscht.
Mir gefällt, dass meine Geschichte den frühen Keim dieser Art von Überwachungstechnologie zum Thema macht und zeigt, was kommen wird.

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