5 Fragen an ... Lisa Eckhart

5 Fragen an ... Lisa Eckhart

Liebe Frau Eckhart, eine Frage, bevor wir zu Ihrem ersten großen Roman kommen: Ihre Bühnenprogramme sind auf sprachlicher Ebene sehr ausgefeilt. Schreiben Sie alles selber, was Sie auf der Bühne erzählen, und gibt es Dinge, die man auf der Bühne nicht sagen darf, im Roman aber schon?
Ich wäre wohl eher bereit, wichtige Vitalfunktionen an Maschinen abzugeben, als das Schreiben an andere Menschen. Und natürlich darf ich auf Bühnen alles sagen, was ich will. Schlimmer noch, ich muss es sogar. Was ich nicht darf, ist nichts zu sagen. So etwas geht nur im Roman. Da kann ich mich gemütlich gehen und die Sprache laufen lassen. Und je weniger Selbst im Spiel ist, umso näher kommt man der Kunst. Auf der Bühne wäre das ein Desaster. Zumindest im Kabarett. Wenn ich da nur das blinde Medium gebe, durch welches die Sprache spricht, laufen mir doch alle davon. Und recht hätten sie. Sie kommen ja, um mich zu sehen. Also muss ich mir die Texte auf den eigenen Leib schneidern. Ich muss schneidern und Modell stehen. Beim Romanschreiben ist das anders. Da hab ich Ruhe vor mir selbst. Ich setze mich an den Computer und denke erleichtert: Jetzt mach ich endlich mal nichts für mich.

Wann haben Sie begonnen über einen Roman nachzudenken und warum gerade über die Großmutter, die Omama?
Ich selbst dachte erst gar nicht daran. Man hat mich schriftlich aufgefordert, als ich mich vor ein paar Jahren auf einer Russlandreise mit der Großmutter befand. Damals verfasste ich mehrere Briefe, um von ihren Kapriolen zu künden. Woraufhin ich die Bitte erhielt, die Briefe zu einem Roman auszuweiten. Erst war mir der Gedanke zuwider, reale Begebenheiten zu plagiieren. Dem Leben nach dem Mund zu reden, hielt ich für künstlerisches Versagen. Kreative Resignation. Etwas für den Lebensabend. Wenn man sich nichts mehr ausdenken kann, schreibt man eben stumpf, was war. Heute sehe ich das etwas anders.

Der erste Teil des Romans spielt in der unmittelbaren Nachkriegszeit, 1945 in einem von den Russen besetzten Gebiet in Österreich. Die Helga, die Omama, ein fleißiges, aber hässliches Entlein, und ihre schöne Schwester Inge sind heranwachsende Teenager. Einen Text wie den Ihren habe ich über diese Zeit noch nie gelesen. Launig, witzig, ironisch. Wie haben Sie für diesen Text recherchiert?
Indem ich Großmutter zugehört habe. Doch das ist gar nicht so leicht, wie es klingt. Großmutter ist wie das Orakel von Delphi. Auf Fragen antwortet sie nur alle heiligen Zeiten und wenn, dann äußerst kryptisch. Aber das, was sie erzählte, habe auch ich so zuvor noch nie gehört. Wie die Geschichte mit ihrer Schwester, die man unterm Bett versteckte, während sie sich draufsetzen musste, hoffend, da greife der Russe nicht hin. Davon hat sie oft berichtet. Und darauf hab ich mich verlassen. Großmutter lügt schließlich nicht. Aber nicht, weil es unmoralisch, oder sie so aufrichtig wäre. Großmutter hält von der Lüge, was ich einst von der Wahrheit hielt: Zeitverschwendung.

Der zweite Teil spielt dann auf dem Land. Helga wird dorthin verschickt, um den Dorfwirt zu heiraten. Dass der schon verheiratet ist, stellt sich schnell heraus. Und der Helga wäre ohnehin der Dorfschönling lieber. Sie deklinieren quasi das Dorfpersonal durch: die Dorfmatratze, den Dorfdeppen … Was ist das mit Ihnen und mit der Provinz?
Ich glaube, das ist kein persönlicher, sondern ein allgemeiner Fetisch. Man denkt den Begriff Provinz ja gern mit Provenienz zusammen. Eine Herkunft, von der man sich krampfhaft emanzipieren will und immer wieder darauf zurückfällt. Redet einer über das Leben am Dorf, tut er es meist abfällig. Der Begriff Global Village hingegen wird meist positiv gebraucht. Im Grunde aber sind es dieselben Phänomene, die hier getadelt und dort gelobt werden. Die tyrannische Intimität, die totale Überwachung, die grenzenlose Tratschsucht. Auch der Begriff Landflucht ist ja äußerst ambivalent. Viele verlassen ihre Dörfer, um sich später ihr Innenstadt-Loft mit Landhausmöbeln einzurichten. Das Land ist immer auch das Andere, eine endlose Projektionsfläche. Es könnte sich wohl jeder fragen, was das mit ihm und mit der Provinz ist.

Vielleicht können Sie ein bisschen beschreiben, wie Sie arbeiten?
Ungeduscht am Küchentisch. Und, wie gesagt: Für die Bühne schreibe ich das, was ich gerne sagen würde. Im Roman schreibe ich das, was ich gerne lesen würde. Und das ist eben ein Bastard aus Essay, Roman und Sprachspielerei.

Interview: Bettina Wörgötter

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