5 Fragen an ... Jackie Thomae

5 Fragen an ... Jackie Thomae

Liebe Jackie Thomae, ein Beziehungsreigen ist ja in der Literatur nichts Neues – aber ein Reigen von Paaren, die sich allesamt trennen, das ist neu. Woher kam die Idee dazu?
Ich fand, dass die Momente, in denen man sich gegen etwas entscheidet, genauso magisch sein können wie die Momente, in denen etwas beginnt. Sie sind das traurige Gegenstück zu den glücklichen Augenblicken, an die wir uns gern erinnern und die wir gern erzählen. Das macht sie jedoch nicht weniger spannend. Also wollte ich sie erzählen.

Es geht damit los, dass ein gutsituierter Mann in besten Jahren aus dem Fenster im ersten Stock springt – aber nicht in selbstmörderischer Absicht, sondern aus reinem Überdruss. Früher hätte man gesagt, er ist in der Midlife-Crisis. Ist es das oder ist es etwas anderes? Was treibt Ihre Figuren an?
Im Grunde stellen sich alle Leute in diesem Buch irgendwann die gleiche Frage, nämlich: Was mache ich hier eigentlich? Eine Frage, die lauter wird, wenn man schon ein paar Jahre gelebt hat, sprich ein paar falsche Ausfahrten genommen hat, die man nun gern korrigieren würde. Aber wie? Mit diesen Problemen – vermeintlich falscher Partner, Beruf, Lebensentwurf – muss umgegangen werden. Mit Verdrängung, Vernunft, Passivität oder auch Irrsinn.

Trotz gegenteiliger Erfahrung und obwohl sie manchmal so hartgesotten wirken, sehnen sich Ihre Figuren letztlich doch nach der Liebe. Sind sie im Herzen unverbesserliche Romantiker? Und wie ist das bei Ihnen selbst?
Auf jeden Fall sind meine Figuren Romantiker. Qua Definition geht es in der Romantik um die Grundthemen Gefühl, Leidenschaft, Individualität und Seele. Und immer wieder Sehnsucht. Die Leute in meinem Buch benehmen sich zwar anders als die Figuren in den Klassikern der Romantik, doch sind auch sie von einer Sehnsucht getrieben. Könnte man sagen. Man könnte auch sagen, dass es unser heutiger Optimierungswahn ist, der uns so rastlos von Beziehung zu Beziehung treibt. Das allerdings wäre mir zu unromantisch.

»Momente der Klarheit« ist ein sehr lustiges Buch – eine menschliche Komödie unter den Bedingungen der Städte von heute. Nun ist Verlassenwerden ja eher nicht lustig – was kann das Komische sichtbar machen, was in der Tragödie zu kurz kommt?
Ohne Tragödie keine Komödie. Das heißt, dass es nur ernsthaft lustig werden kann, wenn die Figur und/oder die Geschichte genug Drama liefern. Humor ist viel mehr als ein geselliges Wohlfühlelement, er ist Trost, Waffe und vor allem Überlebensstrategie. Und wenn es wieder einmal mies gelaufen ist, hat man im Nachhinein die Wahl, diese Geschichte ernsthaft oder komisch zu erzählen. Wenn sie ausgestanden ist, ist das natürlich leichter. Es ist auch spannend, sich in weniger lustigen Lebenslagen für die lustige Sicht zu entscheiden, sich zu fragen, ob man sich jetzt dringend selbst ernst nehmen muss oder sich lieber von außen sieht, als Hauptdarsteller einer Groteske zum Beispiel. Das funktioniert nicht immer, aber wenn, fühlt man sich sofort weniger ausgeliefert.

Sie sind eine sehr gnadenlose Beobachterin menschlicher Schwäche und Eigenart, doch zugleich liegt eine große Zuwendung und Zärtlichkeit in ihrer Figurenzeichnung. Flaubert sagte ja bekanntermaßen: »Madame Bovary, c’est moi.« Wer sind Sie denn in Ihrem Roman?
Alle diese Figuren laufen mal mehr und mal weniger mit meinen Gedanken und Gefühlen durch die Geschichten. Einige haben eine komplett andere Biographie, auch ein anderes Mindset, teilweise sind sie obendrein noch Männer – trotzdem spreche immer wieder ich aus ihnen. Besonders in den Situationen, in denen sie sich nicht besonders wohl fühlen.

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