5 Fragen an ... Florian Freistetter und Helmut Jungwirth

5 Fragen an ... Florian Freistetter und Helmut Jungwirth

Lieber Florian Freistetter, lieber Helmut Jungwirth, das vielleicht Wichtigste vorweg: In Zeiten von Covid-19 möchte niemand mehr über Krankheiten sprechen. Glücklicherweise geht es in eurem Buch, Die Geschichte der Welt in 100 Mikroorganismen, auch nicht um Corona. Ihr denkt viel größer und versprecht uns gleich die ganze Welt in 100 Mikroorganismen – wie geht das, und warum brauchen wir gerade Mikroben, um die Welt besser zu verstehen?
Helmut Jungwirth: Nicht nur um die Welt besser zu verstehen, sondern vor allem um auf ihr besser zu überleben. Würde es keine Mikroorganismen geben, wäre die Welt, so wie wir sie kennen, gar nicht existent und uns Menschen gäb‘s dann vermutlich auch nicht.

Florian Freistetter: Die Mikroorganismen haben zum Beispiel dafür gesorgt, dass wir Sauerstoff zum Atmen haben. Aber auch wenn wir sie für unsere Augen unsichtbar sind und wir sie erst vor relativ kurzer Zeit entdeckt haben, haben sie der Welt ihren Stempel aufgedrückt. In viel mehr Bereichen, als man glauben würde. Immerhin gibt es sehr viel mehr von ihnen als von uns. Die Mikroorganismen waren schon lange vor uns da und werden noch lange bleiben, wenn wir schon längst weg sind. Die Erde ist eigentlich ihr Planet; wir dürfen nur mit ihnen hier leben.

Ihr beschäftigt euch im Buch auch viel mit Essen und Trinken. Welchen Mikroorganismus würdet ihr am liebsten essen?
Helmut Jungwirth: Sie leben sowieso überall, auch auf unserer Nahrung. Wir essen und trinken sie also immer, somit habe ich gar keine Präferenzen, sondern nehme, was kommt, außer natürlich Krankheitserreger.

Florian Freistetter: Ich bevorzuge die netten Hefepilze mitsamt ihres Lebensraums, in Form von Bier. Würde aber zur Not auch mal eine Flechte probieren; das sind extrem faszinierende Lebewesen! Aber wenn‘s geht, lieber Bier. Prost.

Ihr seid beide Naturwissenschaftler, aber euer Buch ist auch eine kleine kulturhistorische Wunderkammer. Ihr erzählt, dass die Mikroorganismen unsere Welt in allen Bereichen geprägt haben. Sie spielen nicht nur in Biologie oder Chemie eine Rolle, sondern auch in Kunst, Kultur, Politik bis hin zur Religion. Was war für euch der überraschendste Einfluss der Mikroben?
Helmut Jungwirth: Wir sind sehr fleißige Naturwissenschaftler, freuen uns aber trotzdem über jeden freien Tag ohne Arbeit. Und dass wir einer Mikrobe einen religiösen Feiertag verdanken, das gehört unserer Meinung nach besonders gewürdigt, daher haben wir diesem Thema natürlich ein Kapitel gewidmet.

Florian Freistetter: Als Astronom hat mich natürlich die Rolle der Mikroorganismen in der Raumfahrt besonders fasziniert. Aber ich war sehr überrascht davon, dass die Nobelpreise ihre Existenz einem Mikroorganismus verdanken! Und wenn mein Kollege an den Feiertagen zu oft auf der faulen Haut liegt, wird er wahrscheinlich nie einen kriegen.

Lieber Florian, du bist Astronom – Helmut, du Molekularbiologe. Wieso habt ihr euch zusammengetan, um dieses Buch zu schreiben?
Helmut Jungwirth: Wir streiten natürlich oft darüber, ob die Mikrobiologie oder die Astronomie die bessere Disziplin ist. Da war es einfach mal an der Zeit einen kurzen Waffenstillstand zu schließen, ein gemeinsames Buch zu schreiben. Weil die Geschichte der Mikroorganismen so umfassend ist, dass eine Wissenschaft alleine nicht ausreicht, um sie zu erzählen.

Florian Freistetter: Die Astronomie beschäftigt sich ja eigentlich mit den großen, weit entfernten Objekten im All. Aber auch hier spielen die Mikroorganismen eine wichtige Rolle. Wenn wir verstehen wollen, ob und wo es anderswo im Universum Leben geben kann, müssen wir erst einmal herausfinden, wo das Leben hier auf der Erde überall existiert. Außerdem wollte ich, dass mein Kollege endlich auch mal ein wenig über Astronomie lernt.

Bei allen schrägen und lustigen Geschichten ist euch der Titel eures Buchs, Eine Geschichte der Welt in 100 Mikroorganismen, aber auch ganz ernst. Nach der Lektüre hat man eine Vorstellung von der Geschichte und den Grundlagen der Mikrobiologie und ein Verständnis davon, wie kleine und große Dinge zusammenhängen. Welche Rolle werden Mikroben und ihre Erforschung für die Zukunft spielen?
Helmut Jungwirth: Das Schöne daran ist, dass wir gar nicht mehr in die Zukunft schauen müssen, sondern einfach nur in die Gegenwart. Aus Wissenschaft und Forschung sind Mikroorganismen jetzt schon nicht mehr wegzudenken. Ich fände es aber lustig, wenn man manche Mikroben in Zukunft vielleicht als “Haustiere” betrachtet. Da spart man sich dann auch das Gassigehen.

Florian Freistetter: Ich glaube, dass wir die Rolle der Mikroorganismen in der Welt (und ihren Einfluss auf uns Menschen) noch nicht einmal ansatzweise erfasst haben. Vor allem aber bin ich überzeugt, dass wir ihren Einfluss auf das Klima besser erforschen müssen und werden. Die Klimakrise wird das bestimmende Thema der nächsten Jahrzehnte werden und – wie wir im Buch auch zeigen – die Mikroorganismen können uns helfen, sie zu bewältigen. Und ich fände es cool, wenn wir endlich mal ne Mikrobe finden, die nicht auf der Erde lebt.

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