5 Fragen an ... Eula Biss

5 Fragen an ... Eula Biss

Liebe Frau Biss, Ihr Buch Was wir haben setzt sich sehr persönlich und subtil damit auseinander, wie die Dinge, die wir besitzen, kaufen oder begehren, sich auf unser Leben auswirken. Was hat Sie dazu gebracht, über Besitz und Identität nachzudenken?
Der Hauskauf – eine Anschaffung, durch die ich mich mit mehreren hunderttausend Dollar verschuldet habe – hat mich dazu veranlasst, mich mit Ökonomie und meiner Rolle im ökonomischen System auseinanderzusetzen. Ich begreife das Besitzen von Dingen in meinem Buch als einen Aufhänger dafür, über die Konsequenzen nachzudenken, die es mit sich bringt, Teil dieses Systems zu sein – und dabei geht es ebenso um emotionale und psychologische Konsequenzen wie um finanzielle. Jedes einzelne Ding, über das ich schreibe, von meinem Haus über unsere Sauciere bis hin zu meinem Fahrrad, dient gleichzeitig als Metapher für etwas weniger Materielles, etwas, das schwerer zu greifen ist.

Sie schreiben, dass es in Ihrem Leben zwei Phasen gegegeben habe – die vor und die nach dem Kauf Ihrer eigenen Waschmaschine. Was hat das Gerät verändert?
Es hat mir Zeit gespart! Die Waschmaschine steht emblematisch für die einfachere, komfortablere Lebensphase, in der ich mich nun wiederfinde, da ich mehr Geld habe und weniger Zeit mit den zeitintensiven Aufgaben verbringe, denen man sich gegenüber sieht, wenn man wenig Geld hat. Meist ging es darum zu warten – im Waschsalon, an der Bushaltestelle, in der Freien Klinik, die ich ohne Krankenversicherung aufsuchen musste, oder am Telefon mit meinem Kreditkartenabieter. Mein Mann kümmert sich häufiger um die Wäsche als ich, aber historisch gesehen ist die Waschmaschine eine technische Errungenschaft, die Frauen Zeit und Arbeit sparte, und selbst eine zu besitzen, hat mein Leben leichter gemacht. Wenn ich über Konsum schreibe, geht es mir auch darum zu zeigen, dass nicht jede Form von Konsum frivol ist – sondern dass es Konsumgüter wie Waschmaschinen gibt, die die Menschen, insbesondere Frauen, von unangenehmer Arbeit befreien.

In Ihrem Buch geht es nicht nur um Dinge. Systemische Probleme und Herausforderungen wie Rassismus, Klassismus und die Frage nach Privilegien sind ein wesentlicher Aspekt von Was wir haben. Wie gehört all das zusammen?
Alles, was wir haben, ist letztlich ein Produkt großer Ungleichheit, entstanden in einem wirtschaftlichen System, das die Arbeit mancher Menschen mehr wertschätzt als die anderer. Dieses System ist überschattet von seiner eigenen, noch nicht lange vergangenen Geschichte, in der manche Menschen kein Eigentum besitzen konnten, weil sie selbst Eigentum waren. Das galt für Afroamerikaner, die versklavt waren, aber auf andere Art auch für verheiratete Frauen, die rechtlich als Eigentum ihrer Ehemänner galten. Der zeitgenössische Kapitalismus selbst gründet auf einem Fundament, in dessen Kern mannigfaltige Formen von Diebstahl stecken – die Zwangsarbeit von Sklaven, die unbezahlte Arbeit von Frauen, die gestohlenen Ressourcen der Indigenen.

In der globalen Pandemie, die wir gerade erleben, haben viele Menschen ihre Haltung zu Arbeit und Konsum überdacht. Tatsächlich nimmt Ihr Buch manche dieser Gedanken vorweg. Was haben Sie selbst beim Schreiben für sich besser verstanden?
Während der Arbeit an diesem Buch ist mir definitiv klar geworden, dass der Kapitalismus, der auf ständige Expansion setzt, uns die Vorstellung eines “Genug” regelrecht abgewöhnt – innerhalb seiner Logik gibt es schlicht nie genug Geld. Mir fiel auf, wie sehr ich diese Logik verinnerlicht hatte, dass ich mehr arbeitete, als ich wollte, und dass ich mehr verdiente, als ich brauchte. Ein Ergebnis meines Buchs ist, dass ich inzwischen in Teilzeit an der Universität unterrichte, was mein Gehalt gewaltig geschmälert hat. Ich habe mich entschieden, weniger Geld und mehr Zeit zu haben. Das Timing war glücklich, denn kurz nach meiner Stundenreduktion schloss die Schule meines Sohnes wegen der Pandemie. Die Schule ist heute, zehn Monate später, immer noch zu, und ich verbringe jetzt mehr Zeit mit meinem Sohn als in den Jahren, seit er ein Kleinkind war.

Welche drei Dinge würden Sie im Falle eines Feuers aus Ihrem Haus retten?
Eine ähnliche Frage hat mich in der Grundschule, als ich etwa sieben oder acht Jahre alt war, in Tränen ausbrechen lassen. Meine Familie bestand damals aus sechs Menschen und ich war völlig aufgelöst bei dem Gedanken, nur drei von ihnen retten zu können. Es kam mir gar nicht in den Sinn, dass diese Frage davon ausging, dass meine Familie in Sicherheit war, und dass es wirklich um Dinge, nicht um Menschen ging. Das zeigt ein Stück weit, wie wenig materielle Dinge mir immer schon bedeutet haben – außer Menschen würde ich nichts aus einem brennenden Haus retten wollen. Diese Frage fühlt sich allerdings auch nicht rein hypothetisch an, denn das Haus meiner Mutter ist vor einigen Jahren abgebrannt, als ich schon nicht mehr dort lebte. Egal ob Menschen nun Dinge sind oder nicht, als erstes würde ich die beiden Menschen retten, mit denen ich lebe, und dann vermutlich, wenn ich könnte, meine Manuskripte und Texte, die sich auf meinem Computer befinden. Das ist alles, was meine Mutter retten konnte – ihren Mann, ihren Hund und ihren Computer.

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