5 Fragen an ... Colson Whitehead

5 Fragen an ... Colson Whitehead

Lieber Colson Whitehead, nach Underground Railroad hatten Sie einen anderen Roman geplant als Die Nickel Boys. Was veranlasste Sie dazu, Ihre Pläne zu ändern?
In der Regel schreibe ich abwechselnd leichtere und schwerere Bücher; gerade Underground Railroad hat von all meinen Büchern die geringste Anzahl an Witzen pro Seite. Aber sobald Trump zum Präsidenten gewählt wurde, machte es mehr Sinn für mich, an Die Nickel Boys zu arbeiten, um zu versuchen, das institutionelle Versagen unseres Landes zu begreifen. Selbst wenn das hieß, mein System aufzugeben. Ich hoffe, dass sich in dem nächsten Buch dann wieder etwas Humor einbringen lässt…

Die Nickel Boys ist ein sehr realistischer Roman, der in Florida am Anfang der 60er-Jahre spielt. Gibt es einen Grund, warum Sie dieses fantastische Element, welches in Underground Railroad so stark vertreten ist, in diesem Roman zugunsten einer sehr detaillierten Beschreibung der sozialen Umstände aufgeben?
Ich habe Bücher mit fantastischen Effekten geschrieben, aber ich habe auch realistische Romane geschrieben. Man muss das richtige Werkzeug, die richtige Struktur, Ton und Satzgestaltung, für ein jedes Buch wählen. Satire funktioniert vielleicht bei dem einen, bei einem anderen wiederum nicht. Für die kaleidoskopische Untersuchung der amerikanischen Geschichte benötigte Underground Railroad ein fantastisches Gerüst. Dieses Buch brauchte es nicht.

Wie recherchierten Sie den Fall der Dozier School? Und wieviel von dem, was Sie herausgefunden haben, wurde in dem Roman untergebracht?
Ich berufe mich vor allem auf Zeitungsreportagen, forensische Untersuchungen der University of South Florida und die Memoiren und Berichte der Überlebenden. Die Geschichte ist inspiriert durch die Dozier School, aber die Nickel Academy ist meine eigene Erfindung.

Die zwei Protagonisten in Die Nickel Boys, Elwood und Turner, verkörpern zwei mögliche Haltungen zu Diskriminierung und Ungerechtigkeit: die idealistische und die konforme. Die idealistische scheint dabei zu verlieren, aber denken Sie, dass auch ein Weg dazwischen vorstellbar wäre?*
Das liegt ganz beim Leser! Als Mensch scheint es so, als gewänne die Dunkelheit in diesem Moment… aber um den Tag durchzustehen, finde ich es gut, einen kleinen Schimmer Hoffnung zu bewahren, ganz gleich wie unmöglich es erscheint.

Der Roman handelt von einem realen Verbrechen, das erst Jahrzehnte später aufgedeckt und nie bestraft wurde. Denken Sie, dass diese Aufdeckung ein Zufall ist oder zeichnet sich hier der Wille der amerikanischen Gesellschaft ab, ihre eigene jüngste und tragische Geschichte zu überdenken?
Generell kann man sagen, dass die Schuldigen ungeschoren davonkommen und die Unschuldigen leiden. Boshafte Gewalt wird allzu selten zur Rechenschaft gezogen. Die Überlebenden von Dozier sind zu einer Zeit hervorgetreten, in der wir eine neue Sprache für Missbrauch und Trauma und dessen Verständnis haben. Eine Sprache, die wir vor 30 Jahren so noch nicht so hatten. Außerdem hilft es, dass die meisten der Täter tot sind – es fällt viel leichter, eine vorherige Administration oder einen verstorbenen Täter zu beschuldigen.

Würden Sie sagen, dass Sie in den letzten beiden Büchern die Frage des Rassismus eher direkt als indirekt beantworten und wenn ja, wie würden Sie dies erklären?
Ich habe über Rassismus, Technologie und Popkultur in verschiedenen Formen im Laufe meiner Karriere geschrieben. Manchmal ist ein Element präsent, anderenorts ist es nicht; manchmal habe ich eine direkte Strategie und manchmal bin ich etwas mehr verblümt. Das hängt wieder ganz davon ab, was der jeweilige Text verlangt…

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