5 Fragen an ... Carole Fives

5 Fragen an ... Carole Fives

Frau Fives, in Ihrem Roman geht es um die Probleme einer alleinerziehenden Mutter, um Schuldgefühle, den Wunsch alles hinzuschmeißen, auszubrechen, um die Abwesenheit des Erzeugers … Es scheint Ihnen wichtig, diese Probleme anzusprechen?
Ja, denn es gibt mehr und mehr alleinerziehende Eltern, in den meisten Fällen sind es Frauen. Die Bürde der Elternschaft lastet mitunter schwer auf ihnen und sie werden daran gehindert, ihre beruflichen Karrieren voranzutreiben. Ein Kind zu haben kann zu einer veritablen Bremse werden, was die Karriere betrifft, aber auch für das Sozial- und Liebesleben. Oft ist das eine Art Tunnel für alleinstehende Elternteile und sie bekommen wenig Hilfe angeboten. Obwohl mir auch viele Elternpaare gesagt haben, dass sie sich in dem Roman wiedererkennen!

Haben die letzten Monate (Homeschooling, Social Distancing) die Probleme noch verschlimmert?
Während des Lockdowns haben viele Familien den Alltag alleinerziehender Eltern erlebt: weiterarbeiten müssen mit kleinen Kindern zu Hause, nicht hinausgehen können, Isolation … Die Abgeschiedenheit galt im Lockdown für alle! Aber es war natürlich für alleinerziehende Eltern noch viel schwieriger, die niemanden hatten, um mal durchzuatmen, um sie zu entlasten …

Die junge Mutter in Ihrem Roman sucht Hilfe bei anderen Müttern im Netz. Doch die bleibt ihr verwehrt. Warum, glauben Sie, erfährt sie keine Solidarität?
Sie meldet sich bei einem Onlineforum zu Elternschaft an, weil sie hofft, dort Rat zu finden. Aber sie trifft dort vor allem auf viele Verurteilungen des Verhaltens derer, die zugeben, dass sie nicht klarkommen. Es gibt einen gewissen Grad an Jammern, der toleriert wird, aber man kann beobachten, dass sich die Mütter vor allem gegenseitig unter Druck setzen, die besten Eltern sein zu müssen, wie das schon ihre Nicknames zeigen (Magicmum, …). Das Internet wird zu einem Ort der Überwachung des Verhaltens anderer Eltern. Man muss zugeben, dass sie gewisse Schwierigkeiten haben, sich wirklich zu organisieren, aber die Order ist eindeutig: Seien wir Supermamas trotz allem, kämpfen wir für unsere Kinder … Selbst unter schwierigen Umständen bleibt das Bild von der aufopfernden Mutter, von der Mutter Courage bestehen. Die Mutter, die es nicht schafft, die alles hinter sich lassen möchte, ist immer noch ein großes Tabu …

Kleine Fluchten ist abgesehen von den gesellschaftspolitischen Themen, die Sie ansprechen, auch ein sehr spannendes Buch. Man lebt eigentlich von Anfang an, an der Seite der Mutter, in Angst. Lesen Sie gerne Krimis?
Ich lese manchmal einen roman noir, Krimis nie. In Kleine Fluchten spürt der Leser zugleich den Freiheitsdrang der Mutter und die Angst, dass etwas passieren könnte, ihr oder dem Kind. Die Fluchten tun der Mutter gut, aber der Preis für das kleine Bisschen Freiheit ist enorm hoch. Das ist eine Metapher für den Zustand von Mutterschaft heute. Bei den vielen Vorschriften, die man ihnen macht, bleibt den Frauen am Ende sehr wenig Freiheit … Wie es Simone de Beauvoir (immer sie!) ausgedrückt hat: „Wir sind erst am Beginn der Befreiung der Frau.“

Welche drei Bücher haben Sie zuletzt besonders gern gelesen?
Bad Behavior. Schlechter Umgang von Mary Gaitskill, Sommerhaus, später von Judith Hermann und Privateigentum von Julia Deck.

Interview und Übersetzung aus dem Französischen: Bettina Wörgötter

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