5 Fragen an ... Beatrix Kramlovsky

5 Fragen an ... Beatrix Kramlovsky

Die Lichtsammlerin ist ein Roman voller Figuren, die einem im Herzen bleiben – besonders die meinungsstarke, kluge Rosa. Hast du selbst auch eine Lieblingsfigur? Darf man das überhaupt als Autorin?
Während der langen Zeit des Schreibens und Formulierens lerne ich meine Figuren alle ein wenig lieben. Das waren in diesem Roman definitiv auch Nebenfiguren. Aber Rosa ist schon sehr speziell.

Dein Buch basiert auf deiner eigenen Familiengeschichte, und Rosa ist deiner Großmutter nachempfunden. Wann hast du begonnen, dich mit der Geschichte deiner Familie zu beschäftigen?
Vor etwa 30 Jahren bekam ich den Brief einer Großtante aus Prag, in dem sie mir ein bisschen über die Uroma und die vielen Kinder erzählte. Meine Omama hatte ich nie kennengelernt und den Opa durfte ich als Kind nicht nach ihr fragen, weil „ihn das schmerzt“. Aber als meine Mutter alt wurde, erzählte sie mir vor ca. 20 Jahren ein wenig; später fand ich zwei Briefe von ihr und Fotos meiner Omama als junger Frau. Die Geschichte faszinierte mich, und die großen Lücken darin animierten zum Erfinden. Meiner Mutter hätte jetzt vermutlich der Roman gefallen, aber nicht die Tatsache, dass sie eine der Figurenquellen war. Schwierig an der Arbeit war, zu erkennen, dass meine Mutter irgendwann einmal ganz anders gewesen sein muss als sie sich uns präsentierte. Aber passiert das nicht vielen Töchtern meiner Generation?

Du bist nicht nur Autorin, sondern auch bildende Künstlerin. Ein Gemälde von dir hängt bei Robert Seethaler zuhause. Gibt es etwas an der bildenden Kunst, das dir an der Literatur fehlt?
Robert hat eine Zeichnung, kein Gemälde. :-) Ich male zwar hin und wieder noch, aber eigentlich zeichne ich ununterbrochen, wenn ich nicht gerade schreibe, koche, gärtnere. Ich liebe es, Menschen mit schnellem Strich festzuhalten, Momentaufnahmen. Das kann ich beim Schreiben auch, aber das Medium funktioniert anders. Ja, ich mache auch Cartoons, aber bei den Zeichnungen merke ich einfach, wie sich mir Situationskomik aufdrängt. Menschen, die sich unbeobachtet glauben, sind für mich großartige Modelle. Ich brauche beides in meinem Leben, bildende Kunst und Literatur.

Du gehst sehr genau und liebevoll mit Sprache um. So finden sich im Text viele Austriazismen (man reist zum Beispiel nicht „gen Norden“, sondern „gegen Norden“), und für eine Szene, in der eine ungarische Frau gebrochenes Deutsch spricht, hast du mit einer ungarischen Freundin lange an der richtigen Sprachmelodie gearbeitet. Ist das die Hingabe einer langjährigen Autorin?
Ich bin besessen von Sprache! Das wurde vermutlich auch von meiner Arbeit als Literaturvermittlerin an Unis weltweit gefördert. Die Unterschiede zu finden, wie die zwei Hauptthemen Liebe und Tod in anderen Kulturen literarisch dargestellt werden, was Sprache alles verraten kann, wie sehr sie unserem Verständnis füreinander helfen könnte, das ist so spannend! Sprache ist ein großartiger Türöffner, um andere Menschen kennen zu lernen.

Du reist viel und gerne, letztes Jahr waren dein Mann und du lange in Borneo. Was war bisher dein liebstes Reiseziel, und warum? Reist du oft Jahre später noch einmal in ein Land, in dem du schon warst, um ein Gefühl für die Veränderungen dort zu bekommen?
Wenn ich könnte, würde ich mehr unterwegs sein. :-) Ich habe keine Lieblingsorte, in manche Länder kehre ich auch wegen der Arbeit zurück. In politisch schwierigen Ländern habe ich bei wiederholten Aufenthalten natürlich die Änderungen noch interessierter verfolgt, soweit ich das konnte. In manchen Ländern erschreckt mich der Umgang mit natürlichen Ressourcen zusätzlich. Ich betrachte es als Geschenk, so Vieles sehen zu können, aber mir ist klar, dass ich mich nur herumtreibe in den Heimaten anderer und meine Perspektive die einer Außenseiterin bleibt – selbst wenn ich mittlerweile wirklich viele, viele Freundschaften weltweit pflege. Ich beobachte gerne Menschen und lasse mir von ihnen erzählen. Wenn die sprachliche Verständigung hapert, helfen mir meine Zeichnungen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Lachen dabei eine Rolle spielt. Es ist so schön, wenn beide gleichzeitig wissen, dass sie einander verstanden hab.

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