5 Fragen an ... Arno Geiger

5 Fragen an ... Arno Geiger

Lieber Arno Geiger, was ist Das glückliche Geheimnis?
Das glückliche Geheimnis - dass ich als junger Mensch in etwas hineingeraten bin, das sich zunächst als Irrsinn erwies und später als eine gute Sache. Ich war drei-, vierundzwanzig, sehr jung und weit weg von zu Hause. Ich wollte Schriftsteller werden mit äußerst ungewisser Perspektive. Da fing ich an, in den Straßen von Wien Streifzüge zu machen und in den an der Straße stehenden Altpapiertonnen nach für mich Brauchbarem zu suchen.

Hatten Sie eine bestimmte Vorstellung davon, was brauchbar sein könnte? Und warum haben Sie es ausgerechnet in Altpapiertonnen vermutet?
Zunächst bin ich auf gut Glück losgezogen. Ich dachte mir, das eine oder andere Buch zum Lesen wird sich sicher finden. Alles Weitere wird sich zeigen, so nach dem Motto: Es komme, was komme! Während der ersten Zeit war mein Interesse an den ganz alltäglichen Nachrichten, die ich aus dem Müll erhielt, nicht stark ausgeprägt. Das kam erst später, die Erkenntnis: Müll ist eine Rückseite unserer Lebensform, ein Maßstab unserer Kultur. Und dass uns das Unscheinbare, das Zweitrangige andere Dinge erzählt als das Kunstvolle und Sensationelle, begriff ich auch erst allmählich.

Sie erzählen von diesem Geheimnis, in das lange Zeit nur eine weitere Person eingeweiht war: Ihre Frau, die im Buch K. heißt. Die Beziehung zu ihr und die Entwicklung dieser Beziehung ist auch ein Geheimnis, von dem Sie berichten. Wie unterscheidet sich das Schreiben von so persönlichen Geschichten vom Schreiben eines Romans?
Beim Schreiben eines Romans liegt die Herausforderung darin, die Welt kraft einer Fiktion darzustellen und besser verständlich zu machen, dabei bin ich der Welt, aber nicht konkreten Personen verpflichtet. Beim autobiografischen Scheiben kommt dieser zweite Aspekt hinzu, deshalb bin ich weniger frei. Gleichzeitig – und das hat in gewisser Weise ebenfalls etwas Befreiendes – muss ich nichts erfinden. Ich ziehe Dinge, die mir im Leben zugestoßen sind, Eindrücke und Empfindungen auf einen unsichtbaren Gedächtnisfaden. Und dies im Wissen um die eigene subjektive Sicht. Bestimmt irre ich mich da und dort. Aber wenn die Fähigkeit zum Irrtum ein Grund wäre, das Schreiben bleiben zu lassen, müsste man es immer bleiben lassen.

Sie berichten auch von Ihren Eltern, ihrem Verhältnis zu ihnen; von Krankheit, Leid, Tod, Trauer. Wie verhält sich Das glückliche Geheimnis zu Der alte König in seinem Exil, ihrem ersten autobiografischen Buch, in dem sie über die Alzheimererkrankung ihres Vaters geschrieben haben?
Die beiden Bücher sind eigenständig und doch untergründig verbunden, weil ich darin aus meinem Leben berichte, doch entlang anderer roter Fäden. Die Eltern sind auch in Das glückliche Geheimnis wichtige Bezugspunkte, vor allem meine Mutter. Aber im Vordergrund steht, neben der Beziehung zu meiner Frau, die eigene Entwicklung.

Auch Ihre Entwicklung als Schriftsteller. Was würden Sie, von heute aus gesehen, in dieser Entwicklung als Schlüsselmoment besonders herausheben?
Im Buch heißt es an einer Stelle: „Ich nahm mir vor, ein Künstler des Ungekünstelten zu werden.“ Darin steckt ungeheuer viel. Vielleicht der entscheidende Punkt. In privaten Alltagsbriefen, die ich aus dem Abfall hatte, war ich manchmal einer Art begegnet, einer Art, sich völlig entspannt auszudrücken, die mich beeindruckt und beeinflusst hat. Übrigens auch einer oft unverkrampften Direktheit. Und ich habe dann festgestellt, dass das beiläufig Kunstvolle und das unverstellt Offene sehr viel höhere Ansprüche an das Schreiben stellen, als man im ersten Moment meinen würde. - Auch diesbezüglich verdanke ich dem Abfall viel.

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