5 Fragen an ... Angela Lehner

5 Fragen an ... Angela Lehner

Liebe Angela Lehner, dein neuer Roman 2001 spielt in einem österreichischen Urlaubsort im Jahr 2001. Warum ausgerechnet dieser zeitliche und örtliche Rahmen?
Für uns heute ist 9/11 die zeitgeschichtliche Zäsur, so wie früher die Mondlandung. In diesem Zusammenhang wird immer dieselbe Frage gestellt: Wo warst du, als es passiert ist? Das habe ich weitergedacht und allumfassender betrachtet: Ich habe mich gefragt, wer waren wir als Gesellschaft vor dieser zeitgeschichtlichen Wende? Was hat uns beschäftigt und bewegt? Und dann fand ich es besonders spannend, an dem Ort nach Spuren von Globalisierung zu suchen, wo man sie am wenigsten vermuten würde: In einem abgekapselten österreichischen Tal, in dem die einzigen Handelnden Jugendliche sind, die Weltpolitik nicht weniger interessieren könnte.

Es geht in deinem Buch um eine Gruppe Jugendlicher, die nach und nach realisieren müssen, dass es eine Welt außerhalb ihres kleinen Kosmos gibt. Wie politisch ist dein Buch?
In 2001 spielt sich Politik auf zwei Ebenen ab. Erstens gibt es „das Experiment“ im Geschichtsunterricht, in der politische Themenstellungen jener Zeit rekapituliert werden. Auf einer zweiten Ebene lässt es die Jugendlichen aber auch die Erfahrung machen, dass das Private eben doch politisch ist. Das Wissen aus dem Experiment verändert die meisten Jugendlichen in ihrem Denken und Handeln. Und selbst für solche, die eher zum Abschotten neigen, wie die Hauptfigur Julia, gibt es eigentlich kein Entrinnen vor der politischen Realität: Sei es der Alltagsrassismus, mit dem sie sich konfrontiert sehen, die schwindenden Ausbildungsplätze oder schlicht die Umstellung auf eine neue Währung.

Das Leben der Jugendlichen in 2001 dreht sich in erster Linie um Freundschaft und Hip-Hop-Musik. Warum ist Hip-Hop so überlebenswichtig für sie?
Meine Figuren sind Hauptschüler und Hauptschülerinnen, die augenscheinlich keine glänzende Zukunft vor sich haben. Die Erwachsenenwelt sieht kein Potential in ihnen und hat somit auch kein Interesse. Das heißt aber auch, dass sie sich nicht an bürgerliche Ideale halten müssen. Die Freundschaft, die sogenannte „Crew“, die sie untereinander bilden, ersetzt ihnen die Familie, die Musik gewissermaßen den Glauben. Zusammenhalten, Durchhalten, füreinander Einstehen, das sind Werte, die sie aus dem Hip-Hop ziehen, aus denen sie sich ihre eigene kleine Zivilisation bauen.

Etwas fällt auf in deinem Roman – die Eltern der Jugendlichen spielen überhaupt keine Rolle, sind teilweise komplett abwesend. War das von Anfang an deine erzählerische Strategie und warum hast du sie gewählt?
Die Abwesenheit der Eltern war nicht von mir geplant. Wie schon bei Vater unser musste ich damit arbeiten, wie und was meine Protagonistin erzählt. Was soll ich machen, wenn Julia mir zu dem Thema nichts sagt?

Als dein Debüt vor zwei Jahren erschien, wurde es mit Literaturpreisen überhäuft und für seinen eigensinnigen Erzählsound gelobt. Es heißt ja immer, der zweite Roman sei der schwierigste. Würdest du sagen, dass das stimmt?
Was beim ersten Roman einfacher ist, ist die fehlende Erwartungshaltung. Beim Debüt kocht man sein Romansüppchen alleine in seinem Kämmerchen und weiß ja meistens selbst noch gar nicht, ob man den Sprung zur Veröffentlichung überhaupt schafft. Beim zweiten kennen einen die Leute schon und wollen wissen, wann es wieder etwas Neues gibt. Insbesondere um den zweiten Roman spinnen sich auch Mythen wie „Erst dann beweist man, dass man wirklich Autorin ist. Vorher kann alles nur Zufall gewesen sein.“ Obwohl das natürlich Blödsinn ist, baut es Druck auf

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