Verlagsgeschichte Zsolnay

Zsolnay-Verlag
Der Paul Zsolnay Verlag

Die Anfänge

Schloss Oberufer bei Bratislava, Frühherbst 1923. Am Höhepunkt der Nachkriegsinflation regt die Burgtheaterschauspielerin Ida Roland die Gründung eines Verlags an: »Wie wäre es mit Paul von Zsolnay?« Der 28-jährige Sohn des Hausherrn sei ein »guter Organisator und versteht etwas von Literatur«. Im April 1924 erscheint mit Franz Werfels »Verdi – Roman der Oper« das erste Buch des neu gegründeten Verlags und wird prompt zu einem Bestseller.

In den Jahren von 1924 bis 1933 erscheinen etwa 950 Titel, vorwiegend deutschsprachige und internationale Belletristik. Der Verlag steigt innerhalb kurzer Zeit zu einem der wesentlichen Verlage des deutschsprachigen Raumes auf. Zu den bekanntesten internationalen Autoren zählen die Nobelpreisträger John Galsworthy, Roger Martin du Gard und Sinclair Lewis; darüber hinaus werden Bücher von Colette, A. J. Cronin, H. G. Wells und Theodore Dreiser herausgebracht. Franz Werfel, Heinrich Mann, Max Brod, Carl Sternheim, Leo Perutz und die Debütanten Friedrich Torberg und Hilde Spiel führen die Riege der deutschsprachigen Schriftsteller an.

Der Paul Zsolnay Verlag gilt als jüdischer Verlag, was sich nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland unmittelbar auswirkt. Die sogenannten Verbotslisten der Reichsschrifttumskammer führen dazu, dass der deutsche Markt für viele Zsolnay-Autoren mit einem Mal verschlossen bleibt. Um die Existenz des Verlags zu sichern, versucht Zsolnay, das Programm umzukrempeln. 1934 stellt er sogar einen nationalsozialistischen Lektor ein, der im Laufe der Jahre eine Reihe von politisch opportunen Autoren ins Programm rückt. Unmittelbar nach dem »Anschluss« Österreichs engagiert Paul Zsolnay Strohmänner, die den Betrieb nach außen hin leiten. Zsolnay selbst bleibt nach einer Geschäftsreise in London im Exil. Als die Nationalsozialisten auf die »Scheinarisierung« aufmerksam werden, sperrt die Gestapo Ende März 1939 den Verlag und setzt einen Treuhänder ein. Nach langen Verhandlungen erwirbt ihn 1941 der ehemalige Reichsschrifttumskammer-Referent und Schriftsteller Karl Heinrich Bischoff; er führt den Verlag bis Kriegsende unter seinem eigenen Namen.

Als der Krieg zu Ende war

 

Im Herbst 1945, in der allerersten Ausgabe des wiedererstandenen Anzeigers für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel, heißt es: »Wir geben dem gesamten Buchhandel bekannt, daß wir unsere Arbeit als Verlag auch weiterhin im Sinne internationaler kultureller Zusammenarbeit fortführen.« Und im folgenden Heft: »Wir geben an dieser Stelle nochmals bekannt, daß wir unsere Tätigkeit in vollem Umfang wieder aufgenommen haben, um dort weiterzubauen, wo wir 1938 unterbrochen wurden.«

Paul Zsolnay kehrt Anfang 1946 aus der Emigration nach Wien zurück und beginnt, seinen Verlag wiederaufzubauen. Er wird zur deutschsprachigen Heimstatt von Graham Greene, John le Carré, Johannes Mario Simmel, Marlen Haushofer und anderen. Am 13. Mai 1961 stirbt Paul Zsolnay in Wien.

Auf dem Weg in die Zukunft

Nach wechselhaften Jahrzehnten und mehreren Eigentümerwechseln erwirbt 1996 der Carl Hanser Verlag, München, den Zsolnay Verlag mit der Absicht, an die große literarische Tradition des Hauses in den Anfangsjahren anzuschließen. Unter der Leitung von Herbert Ohrlinger wird internationale und deutschsprachige Belletristik verlegt, es erscheinen Klassiker- und Gesamtausgaben, literarische Krimis und eine breite Palette von vor allem geistesgeschichtlichen und politischen Sachbüchern. Mit Jean-Dominique Baubys Bericht »Schmetterling und Taucherglocke« gelingt 1997 ein aufsehenerregender Bestseller, im Jahr darauf beginnt mit Henning Mankells »Die fünfte Frau« eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Karl-Markus Gauß, Franzobel, Friedrich Achleitner, Eginald Schlattner aus Hermannstadt sowie etwas später Konrad Paul Liessmann, Martin Pollack, Armin Thurnher, Franz Schuh, André Heller, Florian Klenk und andere bezeugen die formale Vielfalt der deutschsprachigen Literatur und des erzählenden Sachbuchs. Übersetzungen von Edmund de Waals »Der Hase mit den Bernsteinaugen« und des genialen rumänischen Romanciers Mircea Cărtărescu, der Italiener Sandro Veronesi und Gianfranco Calligarich, Inès Bayard aus Frankreich, der Flämin Gaea Schoeters oder des Slowenen Drago Jancar sorgen für internationale Aufmerksamkeit.

Biografien bedeutender Persönlichkeiten wie Gustav Mahler und Karl Kraus (beide von Jens Malte Fischer), Hugo von Hofmannsthal (von Ulrich Weinzierl), Ivo Andrić (von Michael Martens) und Autobiografien u. a. von Franz Vranitzky, Heinrich Treichl und Barbara Coudenhove-Kalergi geben Einblick in das bewegte zwanzigste Jahrhundert. Kultur- und Geistesgeschichte über die Zeiten verbinden etwa Sophy Roberts »Sibiriens vergessene Klaviere«, Nick Thorpes »Die Donau – Eine Reise gegen den Strom« und Kapka Kassabovas Erkundungen auf dem Balkan. Die Philosophinnen Isolde Charim und Lisz Hirn sorgen für den gedanklichen Überbau. »profile – Magazin des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek« und die Schriftenreihe des »Philosophicum Lech« stellen eine Verbindung zur angewandten Wissenschaft her.

Nach der Privatisierung des Österreichischen Bundesverlags erwirbt Zsolnay 2004 von der Ernst Klett GmbH den traditionsreichen Deuticke Verlag. Gemeinsam mit der langjährigen Programmleiterin Martina Schmidt gelingt es, durch die großen Erfolge von unter anderem Daniel Glattauer und Paulus Hochgatterer den Verlag noch breiter ins Bewusstsein zu rücken. Bedingt durch den tiefgreifenden Wandel der gesamten Buchbranche geht der Imprint Deuticke mit Jahresende 2019 im Paul Zsolnay Verlag auf.

Autorinnen und Autoren wie die Gewinnerin des Bachmann-Preises von 2019, Birgit Birnbacher, oder der Sprachvirtuose Elias Hirschl repräsentieren die jüngere Generation, der Weltmusiker Hubert Achleitner (Hubert von Goisern) und die polarisierende Kabarettistin Lisa Eckhardt bereichern und erweitern gleichermaßen das Programm. Mit kommentierten Neu- oder sogar Erstausgaben von Büchern von Alfred Polgar, Stefan Zweig, Ernst Lothar, Ludwig Winder, Arthur Schnitzler und Hertha Pauli wird an die bedeutende literarische Tradition erinnert.