Mit Platon in Palästina
Carlos Fraenkel

Mit Platon in Palästina

übersetzt aus dem Englischen von Matthias Fienbork
Details zum Buch
Vom Nutzen der Philosophie in einer zerrissenen Welt
  • Erscheinungsdatum: 22.02.2016
  • 256 Seiten
  • Hanser Verlag
  • Fester Einband
  • ISBN 978-3-446-25067-3
  • Deutschland: UVP 19,90 €
  • Österreich: 20,50 €

  • ePUB-Format
  • E-Book ISBN 978-3-446-25209-7
  • E-Book Deutschland: 6,99 €

Kann die Philosophie die Konflikte der Welt lösen? Carlos Fraenkel beweist den praktischen Nutzen der Philosophie in Krisenzeiten.
Was halten palästinensische Studenten von Platon? Was sagt die griechische Philosophie Bewohnern brasilianischer Slums oder jungen Muslimen in Indonesien. Carlos Fraenkel ist an Brennpunkte politischer, religiöser und sozialer Konflikte gereist, um dort Grundsatzfragen zu diskutieren: Was heißt Gerechtigkeit? Gibt es eine Rechtfertigung für Gewalt? Steht über dem menschlichen ein göttliches Recht? Die Philosophie kann die Gegensätze zwischen Religionen und Kulturen nicht aufheben. Aber sie zeigt uns, wie wir Positionen begründen und Argumente austauschen können – was in einer Welt der Sprachlosigkeit und Gewalt viel bedeutet. Ein ungewöhnliches Buch und ein großartiger Beweis für den praktischen Nutzen der Philosophie.

Carlos Fraenkel

Carlos Fraenkel

Carlos Fraenkel, Jahrgang 1971, wuchs in Brasilien und Deutschland auf. Er studierte in Jerusalem und Berlin Philosophie und ist Professor an der McGill University in Montreal. Als Gastprofessor unterrichtete er u.a. in Princeton, ...

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Mit Platon in Palästina

Presse

"Ein sehr aktuelles Buch, das in dialogischer Form belegt, dass der Rückzug auf Unhinterfragbares keine Basis darstellen kann für eine Gemeinschaft, deren Codes kommunikativ verhandelt werden." Guido Kalberer, Tages-Anzeiger, 14.05.16

"Das Buch ist lehrreich und unterhaltsam." Professor Volker Gerhardt, Forschung & Lehre, 05.05.16

"Fraenkel liefert mit seinem Werk ein engagiertes [...] Plädoyer für geistige Offenheit und differenzierte Wahrheitssuche." Aurel Jörg, SRF 2 Kultur, 28.04.16

"Ein wunderbares Beispiel für das, was man auch philosophische Praxis nennen könnte." Konrad Paul Liessmann, buchreport express, 01.04.16

"...ein äusserst lesenswertes Buch." Uwe-Justus Wenzel, Neue Zürcher Zeitung, 08.03.16

„Dies ist ein wichtiges philosophisches Buch. (…) Ein wenig verrückt muss wohl in der Tat sein, wer heute loszieht und mit Philosophie die Welt retten will. Aber einen Versuch ist es wert.“ Manuela Lenzen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.02.16

"Carlos Fraenkel liefert ein beherztes Plädoyer für den Nutzen der Philosophie als Instrument der Verständigung über kulturelle und religiöse Differenzen hinweg." Catherine Newmark, Deutschlandradio Kultur, 22.02.16

"Dieses Buch liest man mit Begeisterung." Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon, 10.03.16

5 Fragen an …

Carlos Fraenkel

Warum sind Sie Philosoph geworden?
Als Teenager hatte ich eine doppelte Identitätskrise. Ich bin aus der deutschen Provinz mit meiner Familie nach São Paulo gezogen, der Heimatstadt meiner Eltern. Dort fühlte ich mich sehr fremd und idealisierte alles was mit Deutschland zusammenhing. Das ging meinen Großeltern, die als Juden aus Deutschland vertrieben worden waren, irgendwann sehr auf die Nerven. Sie gaben mir das Buch Der Gelbe Stern, eine Foto-Dokumentation des Holocausts. Da brach mein idealisiertes Deutschland-Bild natürlich zusammen. In dieser doppelten Krise sind Fragen über gut und böse, wahr und falsch entstanden, die mich schließlich zur Philosophie brachten.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, mit Platon durch die Welt zu reisen?
Platon glaubt, dass Philosophie Menschen zeigen kann, wie man richtig lebt und wie man die Gesellschaft richtig ordnet. Das glaube ich nicht! Meine Vorstellung von der Philosophie ist viel bescheidener: sie kann uns logische und semantische Werkzeuge geben und Tugenden lehren, mit deren Hilfe wir bessere Argumente finden, Fragen klären und Antworten überprüfen können, und zwar in Debatten, in denen es um die Wahrheit geht und nicht darum, am Ende der Sieger zu sein. Ich bin um die Welt gereist, um zu sehen, ob Philosophie in diesem Sinn helfen kann, Fragen, die sich in Konfliktzonen besonders dringend stellen, anzugehen. So habe ich mit Studenten an einer palästinensischen und indonesischen Universität gearbeitet, mit einer Gruppe Chassidischer Juden in New York, die vom Glauben abgefallen sind, mit Jugendlichen in Armenvierteln in Brasilien und mit einem Indianerstamm in Nordamerika. Auch wenn ich Platons „heroische“ Auffassung von der Philosophie nicht teile, waren seine Dialoge immer ein guter Einstieg in das philosophische Gespräch.

Gibt es Unterscheide, wie die Menschen auf den verschiedenen Kontinenten mit Philosophie umgehen?
Philosophie ist sicherlich keine „europäische“ Erfindung! Es gab zum Beispiel eine sehr reiche Tradition der arabischen Philosophie lange bevor sich die germanischen Stämme, die durch die Völkerwanderung nach Europa kamen, mit Philosophie auseinandersetzten (oft auf der Grundlage lateinischer Übersetzungen aus dem Arabischen). Insofern sind Platon und Aristoteles ebenso Teil der muslimischen Kultur wie sie Teil der europäischen sind. Ich hatte eigentlich nie das Gefühl, dass das philosophische Gespräch, das ich gesucht habe, meinen Gesprächspartnern fremd oder unangenehm war (allerdings bin ich mit ihnen auch sehr viel höflicher umgegangen als Sokrates mit den Athenern!). Die Fragen, die die Menschen bewegt haben, waren natürlich von Ort zu Ort verschieden. Mit Muslimen und Juden habe ich über die Existenz Gottes, das Verhältnis von Vernunft und Glauben oder die Autorität des göttlichen Gesetzes gesprochen, mit Jugendlichen in Brasilien über Rassismus und soziale Gerechtigkeit, mit dem Irokesen-Stamm in Nordamerika über politische Selbstbestimmung usw.

Welchen Platon-Text empfehlen sie einem Anfänger zur Lektüre?
Der Euthyphron ist ein wunderbarer Text, um über moralische Normen, gerade auch in einem religiösen Kontext, nachzudenken: sind moralische Normen objektiv gut und fromm oder sind sie es, weil sie den Willen Gottes zum Ausdruck bringen? Kann es beispielsweise richtig sein, einen unschuldigen Menschen zu töten, wenn Gott es gebietet? Diese Frage habe ich mehrmals anhand der biblischen Geschichte von der Opferung Isaaks diskutiert. Die Apologie stellt das Projekt der sokratischen Prüfung vor und eignet sich sehr gut, um über die Frage zu sprechen, ob es sinnvoll ist, seine Werte und Überzeugungen kritisch zu hinterfragen. Der Staat, schließlich, ist ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für eine Diskussion über moralische und politische Grundwerte, die wir oft als selbstverständlich annehmen, zum Beispiel Freiheit und Gleichheit. Denn Platon stellt genau diese Werte radikal in Frage (er bezeichnet etwa Demokratien als „Narrenschiffe“!).

Kann Philosophie die Welt retten?
Das wäre schön! Aber ich habe nicht solche überzogenen Erwartungen an die Philosophie. Viele Philosophen, von Platon bis Spinoza, haben behauptet, das kontemplative Leben sei die beste Lebensform. Wenn dem so wäre, könnte die Philosophie tatsächlich einen wichtigen Beitrag leisten, denn dann wäre das höchste Gut nicht knapp, sondern jedem zugänglich: die ewigen Wahrheiten der Mathematik, der Naturgesetze und der Metaphysik werden ja nicht weniger je mehr Menschen an ihnen teilhaben – anders als begrenzte Ressourcen wie Öl, Gold, Land usw. Man müsste also um sie keine Kriege führen! Aber ich glaube nicht, dass sich dieses antike Lebensideal heute noch als etwas, das für alle Menschen gilt, verteidigen lässt. Allerdings haben wir in allen Workshops auch über Fragen gesprochen, die politisch relevant waren: etwa die Frage, ob Gewalt gerechtfertigt werden kann oder gewaltloser Widerstand vorzuziehen ist, die ich mit meinen palästinensischen Studenten diskutierte. Oder ob der Islam mit religiösem Pluralismus vereinbar ist – eine Frage, die meinen indonesischen Gesprächspartnern sehr am Herzen lag. Ob man kluge Einsichten dann auch in die Tat umsetzen kann, hängt natürlich sehr von dem politischen System ab, in dem man lebt. In einer Diktatur beispielsweise, sind auch die besten Ideen ohnmächtig.

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