Dazwischen: Ich
Details zum Buch
  • Erscheinungsdatum: 22.08.2016
  • empfohlen ab 14 Jahren
  • 256 Seiten
  • Hanser Verlag
  • Paperback
  • ISBN 978-3-446-25306-3
  • Deutschland: 17,00 €
  • Österreich: 17,50 €

  • ePUB-Format
  • E-Book ISBN 978-3-446-25438-1
  • E-Book Deutschland: 9,99 €

Ein Flüchtlingsmädchen zwischen Tradition und Aufbruch, zwischen Familie und neuen Freundschaften – Julya Rabinowichs bewegendes Jugendbuchdebüt.
Das Los der 15-jährigen Madina teilen viele Flüchtlingskinder: Sie alle sind Brückenbauer zwischen ihren Familien und dem neuen Leben in der westlichen Welt. Nach einer beschwerlichen Flucht vor dem Krieg in ihrer Heimat ist Madina endlich angekommen, in einem Land, das Sicherheit verspricht. Doch nicht allen in ihrer Familie fällt es leicht, Fuß zu fassen. Und so ist es an Madina, Mittlerin zu sein zwischen ihrer Familie im Flüchtlingsheim und dem unbekannten Leben außerhalb. Sie nimmt das Schicksal ihrer Familie in die Hand und findet in Laura eine Freundin, die für sie in der Fremde Heimat bedeutet. Eine bewegende Geschichte über Freundschaft, Migration und das Erwachsenwerden in Zeiten von Krieg und Verfolgung – authentisch erzählt.

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Julya Rabinowich

Julya Rabinowich

Julya Rabinowich, geboren 1970 in St. Petersburg, lebt seit 1977 in Wien, wo sie auch studierte. Sie ist Schriftstellerin und Kolumnistin und war viele Jahre als Dolmetscherin tätig. Bei Deuticke erschienen Spaltkopf (2008, u. a. ...

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„Ungeschönt und kraftvoll schreibt Julya Rabinowich eine Flucht-Geschichte vom Ankommen – und ein Buch gegen den Krieg. … Bemerkenswert ist nicht nur die einfache, dabei aber kraftvolle Sprache, die genau zu einer 15-Jährigen mit Madinas Geschichte passt, Rabinowich überzeugt auch mit ihren Figuren, die sie so komplex und ambivalent gestaltet, wie das Leben Menschen zeichnet. … Zwischen den vielen, auch vielen sehr guten Büchern, die sich bemühen, die politische Debatte zu flankieren, fällt das von Julya Rabinowich auf. Selten hat man schon auf den ersten Seiten ein so starkes erzählerisches Gegenüber, eine so eigene Stimme, die sich Gehör verschafft. ‚Solche wie dich können wir hier gut gebrauchen‘, wird am Ende des Romans eine Sachbearbeiterin zu Madina sagen. Das gilt auch für dieses Buch.“ Katrin Hörnlein, Die Zeit, 08.12.16

„Es ist ein beeindruckender Roman, der eindringlich die Zerrissenheit der Kinder und Jugendlichen beleuchtet, die zwischen zwei Kulturen hin- und hergerissen sind und eine neue Heimat finden müssen. In kurzen Sätzen, manchmal ohne Personalpronomen, manchmal stenoartig, dann wieder lange Passagen, gut ausgearbeitete Dialoge und jede Menge kluge Sätze, kleine Weisheiten. … Eine bewegende Geschichte über Freundschaft, Migration und das Erwachsenwerden in Zeiten von Krieg und Auswanderung.“ Ute Wegmann, Deutschlandfunk, 03.12.16

„Rabinowich gibt ihrer jungen Heldin eine starke und zugleich poetische Stimme. Ihre Erfahrungen hätte man nicht spannender und eindringlicher beschreiben können. Eine Heldin wie Madina hat im Kanon der Migrationserzählungen noch gefehlt.“ Esther Willbrandt, Radio Bremen, 11.12.16

„Man kann nicht weghören, dazu ist man zu nah an der Geschichte dran. … Madina wird zu einer Stellvertreterin für alle, die sich in der Fremde ein neues Leben aufbauen müssen.“ Anna Püntener, Neue Zürcher Zeitung, 07.12.16

„Julya Rabinowich überzeugt gerade mit der Fiktionalisierung; keine Spur von gutgemeinter Fluchtgeschichte, aber vom ersten Abschnitt an gekonnt verdichtete Wahrnehmungen. Der Stil ist knapp und doch warm, das stille Leiden des Mädchens eindrücklicher als jeder laute Streit in der Asylunterkunft … Rabinowich erzählt respektvoll und sensibel aus der Innenperspektive von der Selbstfindung einer Heranwachsenden.“ Hans ten Doornkaat, Neue Zürcher Zeitung, 30.10.16

„Es gibt Autoren, die vor dem Hintergrund eigener Fluchterfahrung schreiben wie Julya Rabinowich in Dazwischen: Ich: eine Teenagerstory aus der Ich-Perspektive über das Mädchen Madina, das zwischen allem hängt – Kind- und Erwachsensein, Heimat und Fremde, neuen Freunden und dem Gedanken an ihre Großmutter, die zurückgeblieben ist bei den Soldaten.“ Anne Haeming, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30.10.16

„Julya Rabinowich lässt ihre Figur Madina Tagebuch schreiben und gibt so unzähligen Mädchen aus verschiedensten Ländern eine sehr persönliche Stimme. Diese beeindruckt, hallt lange nach. Dazwischen: Ich ist ein Jugendroman, auch für Erwachsene. Seine Kraft und Stärke liegt in der ganz besonderen Sprache zwischen frech und schüchtern, draufgängerisch und verängstigt. … Madina wird erwachsen werden. Sie wird ihren Weg finden, irgendwo zwischen Tradition und Moderne. Schön, dass ich sie begleiten durfte in diesem einen schweren Jahr zwischen Trauer, totaler Wut und grenzenloser Hoffnung.“ Jacqueline Masuck, masuko13.wordpress.com, 05.11.16

„In ihrem klugen Roman erzählt Julya Rabinowich vom schwierigen Anfang in einem neuen Land, nach dem schwierigen Ende in einem anderen Land. … Einfühlsam versetzt sie sich in ihre Tagebuchschreiberin hinein und lässt sie in jugendgerechter und doch feiner Sprache erzählen. … Das große Verdienst von Rabinowich ist, dass sie vereinfachende Zuschreibungen und Rollenklischees hinterfragt – beziehungsweise zeigt, wie sie sich langsam auflösen.“ Antje Weber, Süddeutsche Zeitung, 18.10.16

„Wie die Autorin geschickt Pubertätsnöte, Fluchtnachbeben, Integration, aber eben auch hilflose Gesten auf allen Seiten miteinander zu einer Freundinnengeschichte verdichtet, ist ein feines Stück Realitätsliteratur. Völlig ohne Larmoyanz, dafür mit größtmöglicher Ironie, steuert Madina in die Verantwortung für eine ganze Familie. Es geht einem nahe, den innerlich gebrochenen Vater zu erleben. Dabei werden die psychologischen Momente einer physisch anstrengenden Flucht umso evidenter. Die Traumata jedes Einzelnen in Madinas Familie sind völlig unterschiedliche. Und die Gabe der Resilienz auch. Madina erlebt nicht nur das eigene Erstarken, sondern das Schwachwerden der Eltern. Coming-of-Age mit dem Symbolismus einer Flucht zu kombinieren, ist hier erstklassig und sprachlich sehr deutlich gelungen.“ Christine Paxmann, Eselsohr, 02.08.16

„Die Autorin … bringt viel Erfahrung und Empathie ein und trifft den richtigen Ton. So lebensecht und detailgenau … ‚Dazwischen: Ich‘ muss als Schullektüre dringend ans Herz gelegt werden. Nirgends erfährt man so glaubwürdig und vorurteilslos über die Probleme von Migration und Integration und darüber, wie wir selbst helfen können, diese nach Kräften zu verringern. In der jetzigen politischen Situation ist dieses Buch ein unschätzbar wertvoller Beitrag, ein Aufruf zur Menschlichkeit, dem man auch möglichst viele erwachsene Leser wünschen mag.“ Wolfgang Huber-Lang, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, 19.08.16

„Eine bewegende Geschichte über Freundschaft, Migration und das Erwachsenwerden in Zeiten von Krieg und Verfolgung.“ Deutschlandfunk, 03.09.16

„Ein hochaktuelles und lesenswertes Buch,…das beim Lesen durch Mark und Bein geht.“ Julia Riedhammer, rbb-Beitrag auf kulturradio.de, 25.08.16

„Der Roman mischt … einmal das Flüchtlingsdrama und … auf der anderen Seite … diese ganz normalen Teenager Alltagssorgen miteinander … und deshalb gibt es … einen sehr guten Anknüpfungspunkt für junge Leserinnen und Leser... Solche Bücher sind im Moment absolut notwendig… Und dieses ist ein sehr gelungenes. … Die unmittelbare Perspektive macht das Buch … sehr stark.“ Julia Riedhammer, Audiobeitrag rbb kulturradio, 25.08.16

„In strahlend klaren Sätzen erzählt…Präzise flicht Rabinowich viele Episoden aus Madinas Leben zu einem bunten, erstaunlich leuchtenden Flickenteppich…Faszinierend ist dabei die Ruhe, mit der Medina ihrer tagebuchähnlichen Betrachtungen der inneren und äußeren Kämpfe formuliert, welche Umsichten und Einsichten, Probleme und Lösungen in großer Brandbreite tief ins Herz des Lesers vordringen lassen.“ Katrin Rüger, buchpalast.de, 11.09.16

„Wir wissen nicht, aus welchem Land Madina, die Ich-Erzählerin von Julya Rabinowichs eindrücklichem Jugendroman ‚Dazwischen: Ich‘ kommt, und wir wissen nicht, in welchem europäischen Staat sie gelandet ist – und das ist gut so. Denn Rabinowich … geht es weniger um konkrete politische und kulturelle Zusammenhänge, sondern um die existentielle Erfahrung des Dazwischenseins, die zurzeit 20 Millionen Kinder und Jugendlichen auf der ganzen Welt teilen. … Rabinowich gibt ihrer Figur eine überzeugende Sprache, die zugleich suchend ist und hart, manchmal regelrecht abgehackt – man spürt das Ringen Madinas um ein Stück Boden unter den Füßen. Im Verlauf des Romans findet sie eine Sprechposition im Dazwischen, die ihr erlaubt, sich an die traumatischen Erlebnisse im Krieg zu erinnern und gleichzeitig nach vorne zu schauen.“ Christine Lötscher, Buch & Maus, 21.11.16

„…genau die richtigen Worte, emotional, leise, klug und stark. Sie trifft den richtigen Ton für ein wichtiges Thema, verpackt einen zerstörerischen, elenden Hintergrund in wunderschöne Worte und eine bildhafte Sprache…ein Buch, das noch viele Leser finden sollte.“ Kristina Lurz, Buchblog: revolutionbabyrevolution.de, 13.09.16

Laudatio von Katrin Hörnlein

Laudatio auf „Dazwischen: Ich“ von Julya Rabinowich zur Verleihung des Friedrich Gerstäcker Preises 2018

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Jugendjury,
liebe Julya Rabinowich,

es ist mir eine große Ehre und Freude, heute die Laudatio zu halten. Und ich habe Ihnen etwas mitgebracht: ein Stück Seife.

Ich nehme an, Sie haben heute Morgen geduscht, sich vermutlich auch noch ein zweites Mal frisch gemacht, bevor sie den Weg hierher angetreten haben.
Nun stellen Sie sich einmal vor, Sie wären heute Morgen extra früh aufgestanden, um sich vor einem muffigen Waschraum in eine Schlange einzureihen. Doch zu viele andere durften vor Ihnen hinein. Und schließlich blockierte Ihre eigene Tante die Dusche – Ihre Tante, die sich offenbar am liebsten die eigene Haut vom Körper waschen würde, so sehr schrubbt sie daran herum.
So haben Sie vergebens gewartet und mussten schließlich ungewaschen aus dem Haus gehen. Sie riechen sich selbst und genieren sich furchtbar dafür. Und natürlich verletzen Sie die gemurmelten Worte „Die stinkt“, wenn andere an Ihnen vorbeigehen. Es ist Ihnen doch ohnehin schon peinlich, dass Sie in alten abgetragenen Kleidern herumlaufen müssen.
Und nun stellen Sie sich vor, Ihnen reicht jemand solch ein Stück Seife. Plötzlich wird dieses duftende Etwas einen großen Unterschied machen.

In dem Roman, den wir heute auszeichnen, findet sich eine kleine kugelige Rosenseife versteckt hinter einer losen Kachel in der dritten Kabine einer Mädchentoilette in irgendeiner Schule in Deutschland oder Österreich. Dort liegt sie für die 15-jährige Madina bereit – ein unscheinbarer Alltagsgegenstand, der dem Mädchen ein Stück seiner Würde zurückgibt.
Diese Seife erinnert Madina daran, dass sie nicht mehr ganz allein ist; dass sie eine Freundin hat, die ihr beisteht und für sie das Wort ergreift, bis Madina sich selbst mit Worten wehren kann.

„Wo ich herkomme? Das ist egal. Es könnte überall sein. Es gibt viele Menschen, die in vielen Ländern das erleben, was ich erlebt habe. Ich komme von überall. Ich komme von Nirgendwo. Hinter den sieben Bergen. Und noch viel weiter. Dort, wo Ali Babas Räuber nicht hätten leben wollen. Jetzt nicht mehr. Zu gefährlich.“

Mit diesen Worten beginnt Madina, uns ihre Geschichte zu erzählen. Es ist eine Fluchtgeschichte, die vom Ankommen erzählt – und vom Fremdsein in vielerlei Gestalt:
- dem Fremdsein in der Fremde;
- einem Fremdheitsgefühl der alten, nun fernen Heimat gegenüber;
- einer Entfremdung von der eigenen Familie, die sich immer mehr an Traditionen klammert, je mehr man versucht, Teil des Neuen zu werden;
- und sogar dem Gefühl, im eigenen Körper fremd zu sein.

Madina ist mit ihren Eltern, ihrem kleinen Bruder und ihrer Tante aus der Heimat geflohen. Einer Heimat, in der Bomben fallen, und wo der Vater, weil er Verwundete im Keller verarztet hat, zum Staatsfeind erklärt wurde und um sein Leben fürchten muss.
Zu fünft quetschen sie sich in ein enges Zimmer einer Flüchtlingsunterkunft: fünf Matratzen am Boden, ein Tisch und vier Stühle. Mehr Platz ist nicht. Einer muss immer stehen.
Etwa zwei Jahre ist diese Enge nun schon Alltag für Madina.
Ein Alltag, in dem sie kaum etwas allein entscheiden darf; nicht einmal, wann sie essen möchte – geschweige denn, was es zu essen gibt. Ein Alltag, in dem sie der Schikane einer kaltherzigen Heim-Chefin ausgeliefert ist. Wo oft selbst neutrale Haushaltsseife und kratziges Toilettenpapier in den Waschräumen fehlen, und die Bewohner glücklich sind, die dreckige Treppe schrubben zu dürfen, um als Lohn das Bügeleisen benutzen zu können. Ein Alltag, in dem Madina nachts immer wieder von schreienden Menschen geweckt wird. Manchmal ist sie selbst dieser schreiende Mensch, weil sie plötzlich wieder Bomben explodieren hört, wenn in der Nähe lediglich ein Feuerwerk gezündet wird.
Und ein Alltag, zu dem der tägliche Gang zum Briefkasten gehört. Hoffend und bangend zugleich, ob endlich der Bescheid der Behörde da ist. Hoffentlich ein guter, der „schwarz auf weiß“ bescheinigt, dass die Familie Asyl bekommt. Denn das würde bedeuten: „Rechte haben. Ein echter Mensch sein mit echtem Leben.“ So sagt es Madina.
Doch noch ist kein Bescheid angekommen, noch ist das Leben ein großes Dazwischen, das zunehmend an den Nerven aller zehrt.

Der Enge und Anspannung entkommt Madina, wenn sie die Schule besucht. Hier warten zwar Gleichaltrige, die sie schief ansehen; hier wartet aber auch Laura, die sich auf wundersame Weise mit Madina angefreundet hat. Eine Freundin, die beim Ankommen hilft. Die einen Boden schafft, in dem das entwurzelte Mädchen neuen Halt finden kann.

Julya Rabinowich sagt von sich selbst, sie sei ein entwurzeltes Kind. 1970 in St. Petersburg, damals noch Leningrad, geboren, floh sie im Alter von sieben Jahren aus der Sowjetunion. Nach Israel wollte die jüdische Familie, oder in die USA. Sie blieben in Wien hängen. Wie Madina strengte sich unsere Preisträgerin als Kind ungemein an, um dazuzugehören; vor allem die Sprache wollte sie schnell lernen. Madina lässt sie es so sagen: „Ich mag es, wenn ich Dinge schaffe, die ich mir vorgenommen habe. Und wenn mir jemand blöd kommt, dass ich dem übers Maul fahren kann.“

Auf diesen persönlichen Erfahrungen ruht dieser Roman, genauso aber auf ihrer jahrelangen Arbeit als Übersetzerin. Julya Rabinowich gab vielen jungen Menschen, die in Kriegen traumatisiert wurden in Therapiegespräche eine Stimme. Und weil diese Menschen ihre eigenen, ganz persönlichen Geschichten erzählten, verwendete auch Julya Rabinowich übersetzend die erste Person Singular, das Ich. So rückten die vielen Schrecken auch an sie erschreckend nah heran. Sicherlich war das keine leichte Aufgabe – doch für diesen Roman ist es ein großes Geschenk, weil es Madina und ihren Schilderungen eine so tiefe und berührende Glaubwürdigkeit verleiht.

„Ich habe viel Glück gehabt“, sagt Madina. Ein 15-jähriges Mädchen, dessen Vater ihr den kleinen Bruder als Aufpasser an die Seite stellt; die sich geniert, weil sie nicht mal Geld hat, um ihrer besten Freundin etwas zum Geburtstag zu schenken, und die sich wie im Himmel fühlt, als sie zum ersten Mal bei McDonalds essen darf. „Ich habe viel Glück gehabt.“ Solche Sätze lassen einen demütig auf das eigene Leben blicken und zugleich mit Bewunderung auf die Stärke dieser jungen Frau.

Doch Madina schont auch uns Leser nicht. „Ich habe schon Menschen sterben sehen. So.“ Sätze wie diese knallt sie uns hin. Madina ist verzweifelt, sie ist traurig, sie ist aber vor allem auch sehr wütend. Und diese Wut verleiht ihr große Kraft.
Am Schluss wird dieses junge Mädchen die Verantwortung für die Familie übernehmen und für ihrer aller Zukunft kämpfen.

Eine starke Mädchenfigur habe Julya Rabinowich erschaffen wollen. Eine, die eine Stütze sein kann für die vielen jungen Menschen, die irgendwo ankommen und versuchen, dort heimisch zu werden. Ihnen soll dieser Roman zeigen, dass sie nicht allein sind – auch wenn sie sich oft so fühlen werden.
Zugleich ist er natürlich auch für all diejenigen, die jetzt neben den Madinas und Ramis in den Klassen sitzen. Für die Jonathans und Mayras. Vielleicht beginnen sie lesend ein bisschen zu verstehen, wie sich die Neuen fühlen müssen. So ist dieser Roman Fenster in eine fremde Welt für die einen und Spiegel der eigenen Welt für die anderen.
Erstaunlicherweise ist „Dazwischen: Ich“ Julya Rabinowichs erstes Buch für Jugendliche. Erstaunlich, weil es auf so meisterhafte Weise für ein Miteinander, für Empathie und Verständnis wirbt – und genau den richtigen Ton findet, um jugendliche Leser zu erreichen.

Wir können nicht alle Erfahrungen selbst machen, in Madinas Fall muss man sagen: Zum Glück müssen wir sie nicht machen. Madina erlebt einen Krieg, der für uns hier sehr weit weg ist. Das ist natürlich beruhigend, zugleich aber eine große Gefahr, findet Julya Rabinowich. Denn wenn Kriege zu lange zurückliegen, wenn Zeitzeugen sterben, dann verblasst möglicherweise auch die Erinnerung an das, was Konflikte eskalieren ließ. Was zu Kriegen führt. Einander zugewandt sein in Offenheit – wenn ein solcher Gedanke bei der Lektüre in vielen jungen Köpfen heranreift, dann hat Madina in den Augen ihrer Schöpferin einen wichtigen Beitrag für Frieden geleistet.

„Solche wie dich können wir hier gut gebrauchen“, sagt am Ende eine Sachbearbeiterin zu Madina. Das gilt auch für Julya Rabinowichs Roman: Solche Romane können wir hier gut gebrauchen.
Er ist 2016 erschienen, ein Jahr nach dem Sommer, in dem so viele Menschen bei uns ankamen und wir uns in Österreich und Deutschland für unsere Willkommenskultur gefeiert haben. Menschen, die Geflohene an Bahnhöfen mit Wasser, Broten und Stofftieren begrüßen; die Kleider, Koffer und Schlafsäcke spenden: Das ist erst drei Jahre her – und erscheint doch so weit weg. Denn inzwischen sprechen wir fast immer von der sogenannten „Flüchtlingskrise“.
Man hört und liest dieses Wort inzwischen so häufig, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt, welcher ungeheuerliche Gedanke darin steckt: dass wir Menschen in Not zur Ursache einer Krise erklären. Es ist doch genau umgekehrt: Die Krise erleben nicht wir, die erleben Menschen, die alles zurücklassen, um zu überleben.

Natürlich heißt das nicht, dass es keine Konflikte gibt und Integration nicht eine große Herausforderung ist. Doch anders als eine Madina, sind wir frei in so vielem. Und jeder kann einen Beitrag leisten, damit der Dazwischen-Raum kleiner wird. Wir können nicht alle solch herausragende Bücher schreiben. Wir müssen noch nicht einmal duftende Seifen hinter losen Kacheln verstecken. Manchmal genügt ein freundlicher Blick oder eine Hand, die wir zum Gruß heben.

Liebe Julya Rabinowich, ich gratuliere Ihnen von Herzen zu der heutigen Auszeichnung!

Katrin Hörnlein
Braunschweig, am 16. Mai 2018

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