5 Fragen an …
Eveline Hasler
In Ihrem neuen Buch spielen neben Thomas Mann auch seine Kinder, Franz Werfel, dessen Schwester Marianne, dann natürlich die Riesers eine Rolle. Gibt es überhaupt eine Hauptfigur in dem Roman? Oder ist diese aufgeregte Zeit die Hauptfigur?
Nun, unter der Wolke dieser bedrohlichen Zeit wird Zürich zu einem gefährlichen Biotop. Diese Zeit schafft Dichtestress, verwandelt die Menschen. Ich versuche das an drei prominenten Familien dingfest zu machen. Während die prominenten Alten versuchen, ihre Plätze einzunehmen und möglichst unbeschadet durchzukommen, kämpfen die Jungen für Integrität und Gerechtigkeit. Im Mittelpunkt die heute vergessenen Riesers: Sie investieren Lebenskräfte und Vermögen für das Stadttheater, das dank der Emigranten zum Zentrum des kritischen Wortes wird.
Thomas Manns Jahre in Zürich sind schon oft beschrieben worden. In Ihrem Roman zeigen sie ihn bezüglich der anderen Akteure. Warum?
Thomas Mann ist in Zürich die Galionsfigur der Künstler-Immigranten. Es ist reizvoll, ihn aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. Vor allem spiegeln seine eigenen Kinder die Persönlichkeit dieses damals schon weltberühmten Schriftstellers. In diesen Jahren zeigt sich die starke innere Verbindung zwischen dem Vater und seiner begabten Tochter Erika, die mit ihrem politischen Kabarett “Pfeffermühle” Zürich spaltet und sich der Gefahr aussetzt.
Eine tragische Figur ist Annemarie Schwarzenbach. Sie ist selbstbewusst, unabhängig, oft spöttisch, mit einem großen Freiheitsdrang. Wie wichtig war ihre Rolle für die Entwicklung der anderen Figuren?
Diese begabte junge Frau, die durch androgyne Schönheit bezirzt, weilt meist irgendwo in weiter Ferne. Und doch bleibt sie allpräsent in der Szene. Für ihren um drei Jahre jüngeren Cousin James Schwarzenbach wird sie Provokation und geheimes Idol. Und in ihrem hitlerfreundlichen Elternhaus, mit dem sie verbunden bleibt, kehrt keine Ruhe mehr ein. Erika und Klaus Mann lieben ihr “Schweizerkind” und sind gleichzeitig vor ihr auf der Hut. Polizeiprotokolle der Stadt Zürich sprechen davon.
Zu den Riesers: So ganz deutlich wird ja nie, warum Ferdinand Rieser trotz seiner guten Taten bei den Schauspielern und anderen Künstlern so wenig beliebt war.
Klar, er ist manchmal unausstehlich. Vorurteile umstellen ihn. Er verteidigt sein Leben, sein Stadttheater. Briefe an seine Widersacher zeigen ihn rabautzig, eklig. Dieser weiche, gutmütige, etwas eitle Mann auf den Fotos mit der randlosen Brille? Er muss die Zähne zeigen. Wer unterstützt und liebt ihn? Nur seine Frau, seine Katzen?
Seine Frau, Marianne Rieser, war die vermittelnde Kraft zwischen ihm und den Schauspielern. War das mehr eine praktische Liaison? Und die Tochter Mucki, war das ein wirklich geliebtes Kind?
Auch eine Liebe kann wachsen durch gemeinsame Arbeit, gemeinsames Erleben. Der Zusammenhalt dieses Paares ist in dieser schweren Zeit beeindruckend. Die Tochter Mucki? Wohl trotz der Liebe der Eltern ein einsames Kind, wohl mit seiner Sensibilität das schwächste Wesen im Biotop der drei Familien. Deshalb beginne ich mit ihr die Erzählung. Dass ihr die Luft ausgeht, ist keine Erfindung, sie stirbt in Amerika an Lungenschwäche mit vierzig Jahren.