Presse
„Kitamuras Sprache ist sehr klar. Eine dichte Erzählstimme, die von der erstaunlichen Spannung zwischen fast kühler Präzision und Feinfühligkeit getragen ist, führt durch den Roman.“ Carola Ebeling, taz, 14.01.23
"Ein großartiger Roman über Unsicherheit … hochreflexiv und zugleich spannend." Katharina Borchardt, Zeit Online, 04.01.23
"Ihre brillanten Einsichten könnten von Siri Hustvedt stammen. … Ihre dichte und gleichzeitig lockere Prosa, von Kathrin Razum hervorragend ins Deutsche gebracht, verhandelt große Themen auf kleinstem Raum" Meike Feßmann, Süddeutsche Zeitung, 15.10.22
"Sehr reduziert, aber einfühlsam erzählt Kitamura vom Wunsch einer Frau, endlich ankommen zu wollen." Daniela Stohn, Brigitte, 12.10.22
"Kitamuras ‚Intimitäten‘ greift Themen unserer Zeit auf. Die Frage nach globaler Gerechtigkeit, die Sehnsucht nach Eindeutigkeit, das Streben nach Verwurzelung in Zeiten weltweiter Mobilität. Ein Roman so verstörend wie mitreißend." Hilka Sinning, ARD ttt, 18.09.22
"Hier werden menschliche Grundfragen auf eine literarische Weise verhandelt, die ganz unspektakulär wirkt und doch aufregend neu ist. Und die von Kathrin Razum wieder in ein makelloses Deutsch gebracht wurde. Das alles macht diesen Roman zu einem wirklich großen, großartigen Buch." Andreas Wirthensohn, WDR3 Lesestoff, 12.09.22
"Jede Geste und jede noch so kleine Körperbewegung hat in dieser Erzählung Bedeutung. Die Autorin ist eine Meisterin darin, atmosphärische Zwischentöne und Störungen wie ein Seismograph aufzuzeichnen, in einer zurückgenommenen und zugleich präzisen Sprache." Franziska Wolffheim, Tagesspiegel, 21.08.22
"Kitamura führt uns vielerlei Spielarten von Intimität vor. Den innigen Blick, das ungewollte Durchschauen und, ganz fantastisch beschrieben, die Nähe, die entsteht, wenn die Dolmetscherin flüsternd übersetzt, was nur das Ohr des Angeklagten erreicht. ... Paradox: Die Kühle dieses Romans kann Funken schlagen. Er ist schon jetzt ein Favorit im Bücherherbst." Claudia Ingenhoven, MDR Kultur, 20.08.22
5 Fragen an …
Katie Kitamura
Liebe Katie Kitamura, Intimitäten erzählt die packende Geschichte einer Dolmetscherin in Den Haag. Der Einblick, den man in eine so unbekannte wie abgeschlossene Welt wie die des Gerichtshofs mit all seinen Extremen bekommt, ist faszinierend und abschreckend zugleich. Und dennoch ist die Erzählerin eine Person wie Sie und ich. Wie kam Ihnen die Idee dazu?
Die Idee kam mir, als ich 2009 im Radio von Charles Taylors Gerichtsprozess hörte, der ehemalige Präsident von Liberia, der sich selbst auf eine sehr eloquente Weise verteidigte. Ich konnte sein Charisma spüren, diese große Überzeugungskraft. Er hat eindrucksvoll vorgeführt, wie manipulativ Sprache sein kann und welche Gefahr davon ausgeht. Darüber wollte ich schreiben und habe mir schließlich zehn Jahre dafür Zeit genommen. Ich habe mit Dolmetschern am Internationalen Gerichtshof über das psychologische Gewicht ihrer Arbeit gesprochen, über Nähe und Identifikation, die dabei ungewollt entstehen können. Diese Prozesse erschüttern auch die Welt meiner Erzählerin.
Was hat Sie daran gereizt, von einer Dolmetscherin zu erzählen, einer beinahe unsichtbaren Figur im Hintergrund der Gerichtsverfahren gegen große Kriegsverbrecher?
Ich wollte mich dieser komplexen Welt des Gerichts über eine Art Seitenarm nähern. Ich finde Figuren spannend, die nicht direkt im Zentrum stehen, dafür im Verborgenen Entwicklungen in Gang setzen können. Deshalb war mir schnell klar, dass ich nicht aus der Sicht des Strafverteidigers, Richters oder angeklagten Staatsmannes schreiben würde, sondern anhand von jemandem, der auf noch tragischere Art in die Situation verstrickt ist. Die Dolmetscherin glaubt zu Anfang fest an ihre Neutralität im Gefüge des Prozesses, doch mit der Zeit muss sie einsehen, dass sie in mehrerlei Hinsicht zur Komplizin geworden ist.
Ihr Roman ist auch ein Buch über Sprache, über ihre Macht und Grenzen. Die Dolmetscherin ist nicht nur namenlos, sondern häufig auch sprachlos, sowohl im Privaten als auch in ihrem Beruf, wenn sie die Worte von Fremden wiedergibt. Was bedeutet Ihnen Sprache, was kann sie leisten – und was gerade nicht?
Als Autorin interessieren mich vor allem die Grenzen von Sprache. Für die Dolmetscher, mit denen ich mich unterhalten habe, geht es darum, den Sinn hinter der bloßen Bedeutung eines Wortes mitzuübersetzen – und zwar mit weitreichenden Konsequenzen. Ich habe viele Hundert Seiten von echten Prozessskripten gelesen, um die Sprache und so die Logik des Gerichtshofs zu verstehen. Sprache erzeugt aber nicht nur Machtverhältnisse, sondern auch Identität. Ich selbst bin in einem bilingualen Haushalt aufgewachsen. Meine Eltern sind japanische Migranten in den USA, der Mechanismus von sprachlichem Zugang als Voraussetzung zu gesellschaftlicher Teilhabe war mir also seit frühesten Tagen sehr präsent.
Der Titel Ihres Buchs – Intimitäten – erscheint wie ein seltsamer Plural von etwas, das wir normalerweise als exklusiv und auf eine Person limitiert verstehen. Wie passt der Titel zum Buch und was bedeutet er für Sie?
Irgendwann ist mir aufgefallen, dass Intimität auf vielfältige Weise in der Geschichte steckt und geradezu Widersprüchliches verbindet. Im Amerikanischen wird Intimität nicht ausschließlich körperlich verstanden, sondern ist stark mit Empathie verbunden. Für die Protagonistin ergeben sich alle möglichen Arten kleiner und großer Intimität auf verschiedenen Ebenen. Begehren funktioniert eigentlich immer in Bezug auf Abwesenheit. Die Liebe der Erzählerin und ihre Sehnsucht nach einem Zuhause sind direkt verknüpft mit dem Verschwinden ihres Geliebten Adriaan. Mich hat interessiert, wie weit sich das treiben lässt, ob man eine Liebesgeschichte erzählen kann, bei der das Objekt der Begierde vollständig abwesend ist.
Die Geschichte um die Dolmetscherin ist voller Andeutungen und geheimnisvoll vage gehalten, es wird sowohl eine Ungewissheit als auch ein Unsicherheitsgefühl transportiert. Wie erzeugt der Text diese Atmosphäre?
Der Roman wird aus einer limitierten Ich-Perspektive heraus erzählt. Die Protagonistin beobachtet viel, statt aktiv zu handeln, und ist sich stets unsicher, welche Interpretation des Wahrgenommenen zutrifft, vieles bleibt offen. Dabei verliert sie sich in Möglichkeiten und Spekulationen. Gleichzeitig habe ich bewusst verschiedene Schlüsselattribute wie ihr Alter oder ihren Namen im Dunkeln gelassen. Ich wollte aber auch eine Entwicklung darstellen, aus der sie am Ende gestärkt hervorgeht und für sich einsteht, ihre Passivität überwindet.
Stimmen
"In "Intimitäten" sind Themen wie Fremdheit und Nähe, Justiz und Gerechtigkeit oder die Begrenztheit von Sprache und Kommunikation, subtil und feinfühlig verarbeitet und geschickt verwoben . Verortet ist der Roman an einem ungewöhnlichen Schauplatz, sehr gelungen!" Siggi Stanek, Thalia Erlangen
"Ein sehr einfühlsamer Roman über eine junge Dolmetscherin, die sich nach Wurzeln und Zugehörigkeit sehnt, die sich dagegen wehrt, beruflich oder privat manipuliert zu werden. Die sensible Sprache und die Persönlichkeit der Erzählerin machen den ganz besonderen Bann des Buches aus." Stefan Jakubik, Buchhandlung Sternkopf & Hübel GmbH, Celle
""Intimitäten" ist eins meiner ersten Bücher der neuen Saison gewesen. Es hat sich in mein Gedächtnis eingraviert. Danach kamen weitere. Und es blieb. Nun stehe ich vor Ihnen, atemlos und immer noch mit der Begeisterung an meiner Seite.
Das Buch ist stärker als man zunächst glaubt. Es hat eine enorme Wucht. Katie Kitamura hat in ihrem schmalen Buch mitunter gewichtige Themen behandelt, was man ihm auf dem ersten Blick nicht ansieht. Allein schon dafür verdient die Autorin meine Bewunderung. Und dann ist da noch ihre ganz eigene Sprache. Sie erzeugt Spannung, obwohl sie ebenmäßig ist wie ein Aventurin über den ich immer wieder streichen will. Kalt und trotzdem wärmend. Sie haben alle das Buch gelesen und wissen sicherlich, was ich meine.
"Intimitäten" geht unter die Haut, stimmt sehr nachdenklich, ist elegant und mitreißend erzählt. Kitamura öffnet einen großen Kosmos, sie beugt sich aber auch in die kleinere Welt einer jungen, haltlosen und suchenden Frau, um uns im nächsten Atemzug das weltpolitische Geschehen ins Gesicht zu werfen. Seht her, ruft sie auf ihre Weise. Könnt ihr es sehen? Ja. Und fühlen? Und wie!
Dieses Mal sitzen wir nicht draußen vorm Fernseher, sondern sind mittendrin im Europäischen Gerichtshof und kommen den Kriegsverbrechern gefährlich nahe, näher als wir es je für möglich gehalten hätten.
Ein Dank an Sie alle, dass sie ein gedrucktes Leseexemplar produziert haben. Solche Bücher will ich nicht auf meinem tolino lesen, solche Bücher will ich an mich reißen und erst wieder loslassen, wenn ich es beendet habe. Und noch einmal darin blättern, um dann dem Büchergott zu danken. Dass ich Teil einer besonderen Welt bin, die dazu beitragen kann, dass solche Bücher gelesen werden." Simone Finkenwirth, Scheller Boyens Buchhandlung, Büsum