Gringo Champ
Aura Xilonen

Gringo Champ

übersetzt aus dem Spanischen von Susanne Lange
Details zum Buch
Roman
  • Erscheinungsdatum: 28.01.2019
  • 336 Seiten
  • Hanser Verlag
  • Fester Einband
  • ISBN 978-3-446-26000-9
  • Deutschland: 23,00 €
  • Österreich: 23,70 €

  • ePUB-Format
  • E-Book ISBN 978-3-446-26297-3
  • E-Book Deutschland: 8,99 €

Aura Xilonenes furioser Debütroman – „Einer der bedeutendsten Romane der mexikanischen Literatur des 21. Jahrhunderts.“ The Los Angeles Review of Books
"Hirnverbranntes Stück, lies gefälligst was, wenigstens die Klappentexte, damit du weißt, worum es verdammt noch mal geht, und du ein fokkin Book verkaufen kannst!" So fährt der Chef Liborio an, der sich als illegaler Buchhändler, Tagelöhner und Sparring-Boxer über Wasser hält. Er musste Mexiko verlassen, wie Tausende andere unbegleitete Jugendliche gelangte er endlich ins "Gelobte Land". Jetzt erzählt er uns seine verrückte Geschichte, wie er es am Ende schafft, ein Gringo Champ zu werden. Das furiose Debüt einer neunzehnjährigen Autorin über einen mexikanischen Immigranten: Aura Xilonen erfindet eine radikal neue, atemlose Sprache, die gegenwärtige und zukünftige Mauern durchbricht.

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Aura Xilonen

Aura Xilonen

Aura Xilonen wurde 1995 in Mexiko-Stadt geboren. Gringo Champ (Hanser, 2019) ist ihr erster Roman. Er wurde mit dem Premio Mauricio Achar ausgezeichnet.

Mehr über Aura Xilonen

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Gringo Champ

Presse

"Ein wüster und gleichzeitig zarter und feinfühliger Roman." Christian Schachinger, Der Standard, 13.02.19

"Was, wenn ein Roman Gewalt, Kampf und Unterdrückung nicht nur behauptet, sondern sprachlich vorführt? Es dürfte ein ziemlich guter Roman sein. So wie dieser." Ferdinand Quante, WDR 5 Buch der Woche, 01.02.19

"Eine literarische Sensation aus Mexiko ... Also 'Gringo Champ' 2015 in Mexiko erschien, war es genau das richtige Buch zur Zeit. Eine gerade 19-Jährige entwarf da eine Sprache, die völlig eigen war, abgehackt, rausgezischt, ruppig. Sie erfand Wörter, verwendete aber auch solche, die eigentlich nicht mehr in Gebrauch waren. Gerade deshalb gebührt Susanne Lange, die den Roman übersetzte, größte Hochachtung." Jochen Overbeck, Spiegel Online, 28.01.19

"Ein eindringliches Zeugnis über Flucht, ein elektrisierendes Sprachkunstwerk und ... ein engagiertes aufrüttelndes Buch der Stunde. ... Susanne Lange ist hier nicht nur Übersetzerin, sondern auch geniale Wortschöpferin." Pascal Fischer, SWR2 Lesenswert Magazin, 27.01.19

"Die junge mexikanische Schriftstellerin Aura Xilonen erzählt eine […] Geschichte über die Macht der Sprache und hebelt jedwede Grenze zwischen Sprache und Staaten einfach aus." Sofia Glasl, Münchner Feuilleton, November 2019

Podcast

In der 21. Folge von “Hanser Rauschen” ist Aura Xilonen bei “Hanser Rauschen” zu Gast. Deren erster Roman erschien im Original, als die 1995 geborene Xilonen erst 19 Jahre alt war – und ist ein unglaubliches Feuerwerk an Kunstsprache, Zitaten, Kauderwelsch und Imitationen.
2019 erschien das Buch dann unter dem Titel „Gringo Champ“ auch hier in Deutschland.
Susanne Lange hat den, eigentlich fast unübersetzbaren, Text wahrhaft kongenial ins Deutsche übertragen und währenddessen über 140 E-Mails mit Fragen an Aura Xilonen geschrieben.
Darüber und über vieles andere spricht die mexikanische Autorin mit Piero Salabè, unserem Lektor für internationale Literatur. Er hat sie im Dezember hier im Verlag getroffen, nachdem sie ein halbes Jahr lang Writer in Residence in Zürich war, inzwischen ist sie wieder zurück in Mexiko. Viel Spaß!

5 Fragen an …

Aura Xilonen

Sie haben mit 19 Ihren Roman veröffentlicht – wann haben Sie mit dem Schreiben begonnen?
Als kleines Mädchen lebte ich für zwei Jahre in Deutschland. Ich schrieb jeden Tag einen Brief an meine Familie in Mexiko; in tausend Wörtern erzählte ich von all dem, was ich erlebte. Zu Beginn war das nicht einfach, weil ich nicht wusste, worüber ich schreiben sollte. Aber das war der Anfang.

Wie kam es dazu, dass sie diese Geschichte über illegale Einwanderung geschrieben haben?
Als Jugendliche arbeitete ich jeden Morgen im Geschäft meiner Großmutter. Dort hörte ich die Geschichten einiger ihrer Angestellten, die illegal ausgewandert waren und von höllischen Erfahrungen berichteten: von Fußmärschen durch das Nichts, bei denen sie Glut schwitzten. Ich glaube, dass jede menschliche Schöpfung eine politische Botschaft hat, manche mehr, manche weniger. Trotzdem dachte ich, als ich diesen Roman schrieb, nicht an einen politischen Essay über Migration. Ich befasste mich allein mit der Handlung. Ich dachte an die Strapazen der Wüste, der Grenze und an die Stürme, die Liborios Leben gefährden. Ich dachte an die Tragödie und das Leiden meiner Figur und übertrug es auf die tausende Leidenden, die dort an der Grenze existieren müssen.

Gringo Champ hat ein Happy End. Und warum haben Sie sich in einer Zeit, in der man so viel über die Schwierigkeiten spricht, für die Geschichte einer „erfolgreichen Integration“ entschieden?
Die Welt wird schon so viel von Gewalt beherrscht; Gewalt, die überall in den Medien verschärft wird und, was wohl am tragischsten ist, von uns selbst in den sozialen Netzwerken. Obwohl ich Liborio in realen Situationen der körperlichen und emotionalen Gewalt darstellen wollte, wollte ich dieser Wut und diesem Hass gleichzeitig die Hoffnung, Liebe und Solidarität der Menschen in Liborios Umfeld entgegensetzen.

Die Sprache, die Sie verwenden, ist mehr als nur Spanglish. Wie würden Sie sie definieren – und was waren Ihre Vorbilder beim Entwerfen dieses Idiolekts?
Die Sprache entstand, weil Liborio nur einen sehr kleinen und mangelhaften Wortschatz hat, als er anfängt zu lesen. Er lernt jedoch dazu und nachdem er das Wörterbuch gelesen hat, fängt er an, die Dinge mit seinen eigenen, einzigartigen Begriffen zu bezeichnen. Ich mag den Ausdruck Ingleñol übrigens viel lieber als Spanglish, weil er den spanischen Anteil hervorhebt. Es macht mir mehr Freude, Wörter zu verwenden, die es im Englischen nicht gibt und die einen Beitrag der Sprache Cervantes für die Welt darstellen.
Ich fragte alle Mitglieder meiner Familie nach dieser Sprache. Meine Großmutter etwa, die in Veracruz geboren ist, kann Obszönes unglaublich gut in etwas Lustiges verwandeln. Ich fragte sie ununterbrochen: Wie sagst du dazu? Wie könnte man noch dazu sagen?

Das Buch wurde vor der Präsidentschaft von Trump und seinen Diskussionen über eine Mauer geschrieben. Fühlen Sie sich in dem, was Sie geschrieben haben, bestätigt? Oder würden Sie heute ein anderes Buch schreiben?
Das stimmt, ich habe den Roman vor Trump geschrieben. Ich hätte mir gewünscht, dass mein Buch nur fiktiv ist, aber jetzt, mit Trump an der Regierungsspitze der Vereinigten Staaten und der Verschärfung der öffentlichen Politik gegenüber Migranten, Muslimen, Grünen und Roten, Schwarzen, Grauen, Cafés, Hunden und Katzen, befinden wir uns vielleicht in einer feindseligen Zeit, in der Toleranz wieder zum Traum wird. Doch es gibt immer Hoffnung, und auch Liborio hilft, dass diese nicht im Sumpf der Verzweiflung untergeht. Ich glaube, dass die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner tolerante und großzügige Menschen sind, die dem Humanismus offen gegenüberstehen, der Freiheit verpflichtet sind, Träume haben. Ich glaube auch, dass der Großteil der Menschen, die für Trump gestimmt haben, dies taten, weil sie in ihrer Verzweiflung keinen anderen Weg für ihre Unzufriedenheit fanden. Aber um diejenigen, die die Flagge des Rassismus hissen und Hass zu ihrer Waffe machen, müssen wir uns sorgen. Sie haben noch nicht verstanden, dass die Schönheit dieser Welt in ihrer Vielfältigkeit liegt. Ich hoffe sehr, dass mein Buch zu mehr Harmonie beitragen kann.

die preisgekrönte Übersetzerin Susanne Lange über Aura Xilonens Gringo Champ

Hatten Sie schon zuvor ein Buch mit so vielen Wortneuschöpfungen übersetzt – und gibt es Ihres Wissens Vergleichbares?
Wortneuschöpfungen begegnet man natürlich oft beim Übersetzen. Vor allem beim Don Quijote hatte ich die schöne Gelegenheit, vielleicht weniger reine Neologismen, sondern Neo-Archaismen zu erfinden. Aber so geballt wie bei Aura Xilonen bin ich noch nie auf ein erfundenes Vokabular gestoßen, und ich kenne auch kein vergleichbares Beispiel, bei dem dieses Vokabular so selbstverständlich eingesetzt wird.

Wie würden Sie die Sprache des Buches beschreiben?
Eigentlich kann man gar nicht von Neologismen reden, sondern es ist eine Art Ideolekt, den der Protagonist Liborio spricht. Als illegaler Einwanderer in den USA befindet er sich sprachlich auf völligem Neuland, das er sich allmählich erobern muss. Alles, was er hört, versteht oder missversteht, integriert er in seine Sprache, aber auch alles, was er liest. Und er liest viel, da er in einer Buchhandlung arbeitet, er liest sogar das ganze Wörterbuch mit all seinen Fachbegriffen, die er kreuz und quer anwendet, ob sie passen oder nicht, mal richtig, mal verunstaltet. Deshalb konstruiert er die seltsamsten Sätze. Dann können etwa in aufreibenden Situationen alle seine “Caligulas” blank liegen, er tappt in “phrygische Pfützen”, und seine Uhr hat eine “florisierende” Leuchtanzeige. Er verwendet alles Wortmaterial, das ihm in den Weg kommt, wenn er z.B. jemandem ausweichen will, “palindromiert” er sich auf eine Seite, seine Vergleiche fischen sich aus dem Lexikon, was sie finden können. Daraus entsteht eine neue Sprache, in der sich vulgäre Ausdrücke mit Fachsprachen mischen, Englisches mit Redewendungen der Großelterngeneration in Mexiko, Lyrisches mit Erfundenem — quer durch alle Zeiten und Register. Nur in dieser neuen Sprache kann er wiedergeben, wie die neue Umgebung auf ihn wirkt.

Kann man von Spanglish reden – und wie gibt man im Deutschen das Sprachengemisch am besten wieder?
Liborio verleibt seiner Sprache englische Wörter ein, wie er ihr Ausdrücke aus dem Lexikon oder neu erfundene Wörter einverleibt, es ist also eher ein Liborisch. Wenn er sich beim Englischen bedient, dann fügt es sich nahtlos in seinen Redefluss ein. Das lässt sich im Deutschen besonders gut bei den Verben nachvollziehen (z.B. trashen, smoken, gappen, anphonen, droppen, speaken), aber auch bei neuen Wortzusammensetzungen wie “Disturbomodus”. Wichtig ist, dass es sich fließend in den Satz einführen lässt. Das gehäufte “fokkin” dient als Bindeglied zwischen den beiden Sprachen und ist so etwas wie ein taktgebendes Zeichen, das man im Deutschen entsprechend dem Rhythmus setzen muss.

Was war die besondere Herausforderung bei der Übersetzung dieses Romans?
Diese heterogene Sprache, die aus so völlig unterschiedlichen Elementen besteht, im Deutschen zu einer Einheit, zu einer Mündlichkeit und einer Selbstverständlichkeit zu bringen. Auch die erfundenen Wörter sollten ganz natürlich einfließen, ohne sie überzudosieren. Wichtig war mir, dass man den Jargon der Figuren nicht mit einer landläufigen Umgangssprache verwechselt, denn so wie Liborio spricht tatsächlich niemand. Gerade die Schimpfwörter waren dabei eine Herausforderung, denn oft mischt Aura Xilonen dabei ältere Ausdrücke (die sie wieder lebendig werden lassen möchte) mit heutigen oder erfundenen oder mit lexikalischen Raritäten. Deshalb wird Liborio etwa als “anxiolytischer”, “pikarotischer” oder “stratosphärischer” Bastard beschimpft, aber auch als “schrille Flatulenz”. Und man kann die ganze Palette des Tier- und Pflanzenreichs abklappern, von Filzlaus und Zündelzecke zu Pestwurz und Schleimkopf, vom patzigen Pterodactylus zur klammen Kröte.

Hat die Arbeit Spaß gemacht und an welche Begriffe werden Sie sich erinnern?
Freude, wenn man sich auf die Möglichkeiten der eigenen Sprache konzentrieren und sich aus allen nur möglichen Bereichen Bausteine für Wortschöpfungen sammeln kann. Auch das entfesselte Drauflosschimpfen mit allem, was Lexikon und Phantasie hergeben. Besonders Spaß haben auch die Verben gemacht, wie etwa zerspeltern, versprocken, zerfitzen, rumzippern, davonquicken. Aber wichtig waren auch die sich wiederholenden Begriffe, die Aura Xilonen für die verschiedenen Gruppen erfunden hat und die im Deutschen nachvollziehbar sein sollten: die “Mackerfacker” (angeberische Jugendliche auf der Straße) und die “Mickerficker” (die Underdogs). Oder die Beschimpfung, die sie für Liborio parat haben, wie etwa “Drecksmex”. Die Sprache von außen zu betrachten wie Liborio und dann einen eigenen Jargon daraus zu machen, war eine sehr spannende Herausforderung.

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