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"Ein Roman, der das Leben in einer Stadt wie Karatschi auf ganz eigene Weise mit stillen Bildern und einer Folge von eindrücklichen Episoden einfängt. ... Bilal Tanweer erzählt völlig unprätentiös und entwirft dabei ein Bild von seinen Landsleuten, das präziser kaum sein könnte." Martin Grzimek, Deutschlandfunk Büchermarkt, 12.08.16
"Sensibel und mit einem klaren formalen Konzept bildet der junge pakistanische Autor die zerrüttete Gesellschaft in seiner Heimat ab. ... Fragmentiert und doch kohärent, wird die zerschossene Scheibe im Roman nicht nur zum Symbol für die vom Terrorakt erschütterte Stadt, sondern auch für die literarische Vision von Tanweers Ich-Erzähler. ... Überzeugend und mit einigem Raffinement umgesetzt. Tanweer gibt etwas von der Desorientiertheit der durch den Terroranschlag momentweise oder ganz aus ihrer Lebensbahn geworfenen Figuren an den Leser weiter, indem dieser sich unter wechselnden Ich-Erzählern orientieren muss, deren Standort im Beziehungsgefüge und in der zeitlichen Architektur des Romans nicht immer sofort einsehbar ist." Angela Schader, Neue Zürcher Zeitung, 20.07.16
„Deshalb ist ´Die Welt hört nicht auf´ nicht nur ein Roman über das heutige Pakistan, sondern vor allem einer über das Schreiben – im Speziellen über die Frage, ob man schreibt, um der Welt zu entfliehen oder um sich einen Zugang zu ihr zu erschaffen.“ Simone von Büren, NZZ am Sonntag, 26.06.16
"Die Faszination für Pakistans Metropole wächst auch beim Leser mit jeder Seite des Romans. ... Sein Buch hat eine beachtliche poetische Kraft und bietet pulsierende Szenen einer fremden Welt. … Eine lesenswerte Liebeserklärung an Karatschi." Martin Oehlen, Frankfurter Rundschau, 02.06.16
"Man lernt in 'Die Welt hört nicht auf' einiges über das Leben in Karatschi, spürt, dass es hauptsächlich in Autos, Bussen und geschlossenen Räumen stattfindet, nicht zuletzt wohl auch, weil der öffentliche Raum eine Gefahrenzone ist." Tobias Lehmkuhl, Süddeutsche Zeitung, 14.04.16
"Mit Fug und Recht darf man diesen Roman, in dem alle Söhne schreibende Väter haben, für deren Idealismus sie vordergründig nur Verachtung empfinden, als einen Dialog zwischen den Generationen eines ganzen Landes verstehen. Doch versinkt der Roman an keiner Stelle in ein Lamento – im Gegenteil. Aus den zersplitterten Träumen, sprich: aus der Zerstörung weiß Bilal Tanweer Kapital zu schlagen. Nicht zuletzt nämlich reflektiert der Roman auch über die Frage, in welcher Weise die Komplexität einer Stadt wie Karachi überhaupt literarisch eingefangen werden kann. Die Kunstfertigkeit, mit der Bilal Tanweer die einzelnen Fragmente zu einem so überraschenden wie vielgesichtigen Porträt des urbanen Pakistan zusammenfügt – beweist dabei aber auf erfrischende Weise, dass dies sehr wohl möglich." Claudia Kramatschek, WDR3 Mosaik, 05.04.16
5 Fragen an …
Bilal Tanweer
Karatschi ist eine der größten, aber auch eine der unbekanntesten Städte auf der Welt. Hast du eine Vermutung, warum die westliche Gesellschaft so desinteressiert ist?
Gemessen an ihrer Einwohnerzahl und wirtschaftlichen Bedeutung, ist Karatschi die größte Stadt Pakistans. Ich bin, glaube ich, nicht in der besten Position, über die Beweggründe des Westens zu spekulieren. Was ich mich allerdings frage, ist, warum nicht mehr Autoren über Karatschi geschrieben haben?
Nabokov sagte einmal: „Ich musste Amerika und Lolita erfinden. Ich habe ungefähr vierzig Jahre gebraucht, um Russland und Westeuropa zu erfinden, und jetzt stand ich vor einer ähnlichen Aufgabe, für die ich weniger Zeit zur Verfügung hatte.“ Karatschi ist eine nur unvollkommen ‚ausgedachte‘ Stadt. Diese Problematik steht im Zentrum meines Romans: Wie schreibt man über eine Stadt mit über zwanzig Millionen Einwohnern, die literarisch kaum existiert?
Abgesehen von der politischen Instabilität, worin besteht der größte Unterschied zwischen Karatschi und einer europäischen Stadt?
Vielleicht ist es einfacher, nach Ähnlichkeiten zu fragen – es gibt praktisch keine!
Karatschi ist ein schwieriges Pflaster, um ehrlich zu sein. Für einen Fremden ist es nicht gerade leicht, sich hier zurechtzufinden. Es gibt nicht einmal Stadtpläne oder Straßennamen. In unserer zunehmend globalisierten Welt, in der alles auf Bequemlichkeit für Ausländer, das heißt Touristen, ausgelegt ist, weil das Geld bringt, ist Karatschi eine Ausnahme. Wegen der enormen Unsicherheit auf der Straße ist es auch keine Stadt zum Verlieben: zum Beispiel sind Handydiebstähle weit verbreitet. Das sind Fakten. Und doch ist es eine Stadt voller Möglichkeiten, eine Stadt, die sich selbst kontinuierlich neu erfindet.
Im Roman gibt es die Figur des Genossen Sukhansaz, der seine kommunistischen Ideale über seine Familie stellt und diese dadurch verliert. Werden Menschen wie er in der vorwiegend muslimischen Gesellschaft Pakistans abgelehnt?
Während meiner Studienzeit habe ich mich ein wenig politisch engagiert und viele Kommunisten der alten Schule getroffen. Sie hatten ihr Leben einer Sache gewidmet, die ihnen nichts als zerrüttete Familien und Narben hinterließ. Mich mit ihnen zu unterhalten, war eine emotionale Erfahrung für mich. Ich fühlte, dass ich mich persönlich mit ihrer Leidenschaft für eine verlorene Sache identifizieren konnte.
Die lebendige Sprache ihres Romans versetzt den Leser direkt in die Straßen von Karatschi. Wie haben Sie es geschafft, Exotismen zu vermeiden?
Exotismus ist oftmals eine Folge davon, dass ein Autor das Lokale mit Worten beschreibt, die dem Ort selbst fremd sind. Ich versuche mir vorzustellen, wie die Welt in den Augen meiner Charaktere aussehen könnte, und die Geschichten und Perspektiven nachzufühlen, die ihre Weltsicht prägen, anstatt ihnen meine eigene aufzuzwingen. Aus diesem Grund sehe ich mich vor allem als Autor eines bestimmten Ortes.
Gibt es in einer Stadt, die so zerstörerisch und gefährlich ist wie Karatschi, überhaupt noch so etwas wie Liebe?
Liebe ist kein Begriff, zu dem eine Stadt wie Karatschi inspirieren würde. Gleichzeitig ist es eine Tatsache, dass über zwanzig Millionen Menschen diesen Ort ihre Heimat nennen und ungeachtet dessen, was die Welt davon sieht und hört, leben und arbeiten sie hier ja weiterhin. Sie finden weiterhin Glück, Freude, ein Zuhause und Gemeinschaft in dieser Stadt, und ziehen ihre Kinder mit denselben Hoffnungen auf wie alle anderen Eltern auf der Welt, ungeachtet aller Schwierigkeiten und Entbehrungen oder dessen, was andere über die Stadt denken. Sie besitzen nicht das Privileg sich auszumalen, dass diese Stadt dem Untergang geweiht ist; ihre eigenen Schicksale sind in gewissem Sinne mit ihr verwoben. Meine Aufgabe ist es einfach, über diese Menschen zu schreiben.