5 Fragen an …
Amitava Kumar
Am Beispiel des Affen erzählt von einer emotionalen und intellektuellen Reifung. Glauben Sie, dass Begehren eine ebenso körperliche wie geistige Kraft ist?
Ja. Das, was ich verstehen musste – und auch in meinem Roman verarbeite – ist, dass das meiste im Leben, und mit Sicherheit das Begehren, zuallererst mit Sprache zu tun hat. Damit, eine Sprache zu finden, die das Verständnis einer anderen Person ermöglicht, und in gleichem Maße, eine Sprache zum Fassen der eigenen Persönlichkeit. Nicht zuletzt auch, eine Sprache zu finden, oder sogar zu erfinden, um das am Beginn dieser Versuche stehende Begehren zu fassen. Eine Erzählung. Was ich zu sagen versuche ist, dass dadurch, dass sich im Grunde alles um Sprache dreht, das Begehren tatsächlich körperlich und geistig ist.
Was für eine Bedeutung hat für Sie die Metapher des Affen in Bezug auf Ihren Roman?
Im Haus meines Onkels mütterlicherseits gab es Affen. Jener Onkel hat sich zu Tode getrunken. Die Idee des Affen als Metapher kam mir zuerst in diesem Kontext. Ich habe mir einen Affen vorgestellt, der Selbstmord begeht. Aber das war nur der Anfang. Als ich erfuhr, dass man Affen aus Indien in die USA exportiert hat, arbeitete ich diese Geschichte zu einer Geschichte über Migration aus. Um ehrlich zu sein, habe ich immer gedacht, dass es im Bild des Affen sehr viele unausgesprochene Resonanzen gibt. Der Immigrant oder die Immigrantin werden zum Beispiel als Affen bezeichnet. In anderen Worten, es ist eine rassistische Beschimpfung. Aber es gibt weitere Konnotationen. Alles, was mit Begehren zu tun hat, besonders, wenn es illegal ist, wird im Englischen als „monkey business“, als „Affengeschäft“, bezeichnet. Ich denke, mit dieser Bedeutung wollte ich auch spielen in meinem Roman.
Wie in Ihrer eigenen Biographie, verlässt Ihr Protagonist Kailash seine Heimat Indien, um in den USA zu studieren und zu leben. Glauben Sie, dass es so etwas wie Zuhause gibt? Und müssen wir Fremde werden, um zu verstehen, wer wir sind und wer wir sein möchten?
Zuhause ist solch ein starkes Bild. Ich beantworte diese Fragen gerade an einem Ort, der lange Zeit mein Zuhause war: Ich bin zu Besuch in meinem Zuhause in Indien. Doch dann, nach einer sehr langen Zeit im Ausland, nach mehreren Jahrzehnten, konnte ich Indien nicht mehr mit gutem Gewissen mein Zuhause nennen. Ich fühlte eine Distanz. Bedeutet das, dass die USA, wo ich seit so langer Zeit lebe, wo ich Staatsbürger bin, nun mein Zuhause ist? Die Antwort ist nein. Wenn ich jetzt an Zuhause denke, dann denke ich in erster Linie an den Hausflur, auf dem meine Kinder mir entgegenrennen, um mich zu begrüßen. Zuhause ist eine Idee von Glück, die ich für meine Frau realisieren möchte. Aber Zuhause ist mit Sicherheit auch dieser sonnenhelle Raum, mit Blick auf einen Fluss, in dem ich sitze und schreibe.
Um die andere Frage zu beantworten: Reisen ist ein Geschenk. Ebenso wie Migration. Sie gewähren dir das Geschenk des Andersseins. Als Außenstehender hat man einen besonderen Blick nicht nur für die neue Umgebung, sondern auch für alles, was einem alt und vertraut war. Wenn ich noch etwas hinzufügen darf. Ich denke, etwas Ähnliches passiert, wenn wir lesen. Das Lesen führt heraus aus uns selbst. Dabei sind wir oft, und auf nicht gerade unangenehme Art und Weise, mit Veränderung konfrontiert.
Sie verwenden viele Bilder, Textausschnitte und Fußnoten in Ihrem Buch. Warum haben Sie diese Form des intertextuellen Spiels gewählt?
Eben habe ich von dem Neuen gesprochen, das in jemandes Leben tritt, wenn er sein Land verlässt. Nun ja, die Idee des Neuen ist zentral in einem Roman. (Schließlich bedeutet „novel“, das englische Wort für Roman, nichts anderes als „neu“.) Ich habe mich vor allem deshalb eines intertextuellen Spiels bedient, weil ich meine Energien darauf verwenden wollte, Neues in die Form des Romans zu tragen. Aber es gibt weitere Gründe. Ich habe mich immer zu Edward Saids Gedanken hingezogen gefühlt, der besagt, dass die Erfahrung von Migration und Exil an sich zu einer gebrochenen oder fragmentarischen Sprache führt. Außerdem bin ich mir bewusst, dass ich als Immigrant nie nur in einer Sprache spreche. Und ich hatte den Gedanken, dass ich diese Bedeutung der Zwei- oder Mehrsprachigkeit noch ausweiten könnte durch den Gebrauch verschiedener Textformen. Man darf nicht vergessen, dass die Welt sich uns auch nicht nur in einem Register zeigt: wir haben es immer gleichzeitig mit Gedrucktem, mit Nachrichten auf unserem Telefon, mit Tweets und Push-Nachrichten zu tun. Ich hatte das Gefühl, ich muss meine kreativen Instinkte in einer adäquaten Form dem Gefühl beugen, in der Gegenwart zu leben.
Am Beispiel des Affen ist auch ein Campus-Roman. Was hat Sie an diesem speziellen Milieu gereizt?
Zum Teil wohl die Tatsache, dass ich den Großteil meines Lebens in den Vereinigten Staaten auf einem Campus verbracht habe. Aber vielmehr noch, weil ich denke, dass sehr viele Migranten ihre ersten Erfahrungen mit der westlichen Welt als Studenten im Ausland machen. Die Geschichte der modernen westlichen Welt wurde stark von Intellektuellen aus der restlichen Welt geprägt. Ich wollte dem in meinem Roman Rechnung tragen. Ich denke auch, dass viele Assistenz-Lehrkräfte des akademischen Mittelbaus Teil einer globalen Arbeitskraft sind, und diesen Aspekt der Globalisierung wollte ich gerne untersuchen. Wenn ich Universitäten überall in den USA besuche, sehe ich, dass diese Lehrkräfte einen überqualifizierten, unterbezahlten Einwanderer-Berufsstand bilden. Sie sind nicht Teil einer Unterschicht, die in Ausbeuterbetrieben, der Landwirtschaft oder der Fleischindustrie arbeiten, sondern eine klar zu umreißende Gruppe, die eine entscheidende Rolle spielt im Bildungswesen und der Ausbildung der Jugend in westlichen Ländern. Gleichzeitig spielt diese Gruppe kaum eine Rolle in der modernen Literatur.
Hatten Sie persönlich einen Mentor wie Ehsaan Ali aus dem Roman?
Die Lehrer, die ich hatte, als ich in die USA kam, waren oft brillant und transformativ; doch keiner von ihnen ähnelte wirklich der Person, auf der die Figur des Ehsaan Ali basiert. Mein Roman ist eine Hommage an Mentoren. Sogar jetzt, in meinem relativ fortgeschrittenen Alter, nachdem ich lange selbst Lehrer war, sehne ich mich nach Mentoren. Letztens habe ich mit Michael Ondaatje über das Zeichnen gesprochen und er hat mir Bentos Skizzenbuch von John Berger empfohlen. Als ich nach Hause kam, habe ich mir das Buch sofort besorgt, und unter seinem Einfluss, habe ich jeden Tag etwas gezeichnet. Was ich damit sagen möchte, ist, dass ich Michael Ondaatje, ohne sein Wissen, zu einem Mentor gemacht habe. Wenn ich darüber nachdenke, dann habe ich das über die Jahre mit sehr vielen Schriftstellern getan. Ich hatte nie das Glück, John Berger, Susan Sontag, Janet Malcolm oder Philip Roth zu treffen. Aber, bei Gott, habe ich nicht all diese Jahre versucht, ihnen ein guter Schüler zu sein?
In Ihrem Roman ist Sexualität eine Form der Selbstbefreiung, aber auch eine sehr starke, fast politische Kraft. Glauben Sie, dass Sexualität sogar noch stärker sein kann als Liebe?
Das ist eine interessante Frage. Sind Sex und Liebe für meinen Erzähler Kailash zwei unterschiedliche Dinge? Ich glaube nicht, obgleich ich hinzufügen sollte, dass er Erfahrungen macht, die den Unterschied vielleicht deutlich machen. Ich hege einige Sympathie für seine Ignoranz und seine Verwirrung. Aber dies ist eigentlich eine Frage, die über Kailash hinausgeht, und ich will sie gerne direkt beantworten. Sexualität ist, wenn sie nicht gesehen oder unterdrückt wird, eine deformierende, zerstörerische Kraft. Das zeigt sich meines Erachtens in den verschiedenen Gewaltakten gegen Frauen in Indien. Aber, und das ist ebenso wichtig, Sexualität als Form des Entdeckens, als Streben, ist eine kreative Erfahrung, die zu einer Transformation individueller und gesellschaftlicher Identitäten führen kann. Ist sie stärker als Liebe? Ich weiß es nicht. Ich denke, da muss ich Kailash fragen und, wenn sie mich lassen, seine Geliebten.